ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; EGZPO § 15a
Leitsatz
Die Kosten der anwaltlichen Vertretung in einem nach § 15a EGZPO obligatorischen Güteverfahren sind keine erstattungsfähigen (Vorbereitungs-)Kosten des späteren Rechtsstreits.
BGH, Beschl. v. 24.6.2021 – V ZB 22/20
Sachverhalt
Das AG Bernau bei Berlin hat in einem Nachbarschaftsrechtsstreit den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Die Kläger hatten vor Einleitung dieses Rechtsstreits das gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Brandenburgisches Schlichtungsgesetz i.V.m. § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO vorgeschriebene Güteverfahren betrieben. Ein Einigungsversuch scheiterte daran, dass vor der Gütestelle zwar die Kläger im Beistand ihrer späteren Prozessbevollmächtigten, nicht aber die Beklagten erschienen oder vertreten waren.
Der Rechtspfleger des AG Bernau bei Berlin hat den Antrag der Kläger auf Festsetzung der Kosten ihrer anwaltlichen Vertretung in dem Schlichtungsverfahren in Höhe von 376,99 EUR zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist beim LG Frankfurt (Oder) erfolglos geblieben.
Der BGH hat die gegen diese Entscheidung des LG Frankfurt (Oder) gerichtete und vom LG zugelassene Rechtsbeschwerde der Kläger zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
[3] "II. “Das Beschwerdegericht hält die Kosten der anwaltlichen Vertretung im Güteverfahren für nicht erstattungsfähig. Die Durchführung des Güteverfahrens sei zwar vor der gerichtlichen Durchsetzung des verfolgten Anspruchs erforderlich. Es fehle aber an einer Rechtsgrundlage für die Erstattung der anwaltlichen Kosten. § 91 Abs. 3 ZPO regele nur die Kosten der Gütestelle. Eine Erstattungsfähigkeit nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO komme nicht in Betracht, da die anwaltliche Tätigkeit im Güteverfahren nicht der Vorbereitung des Rechtsstreits gedient habe. Maßgeblicher Zweck des Güteverfahrens sei, einen Rechtsstreit zu vermeiden. Die Parteien sollten Gelegenheit erhalten, ohne besonderen (Kosten-)Aufwand mit Hilfe einer neutralen und ehrenamtlich tätigen Schiedsperson ihren Streit beizulegen. Es gehe – wie auch hier – regelmäßig um überschaubare Sachverhalte. Das Verfahren sei nicht darauf angelegt, das eigentliche Streitverfahren vorzuverlagern. Diese Gefahr sei bei einer anwaltlichen Vertretung aber gegeben. Auch könne die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten im Rahmen eines späteren Rechtsstreits Motivation sein, sich einer Einigung im Güteverfahren zu verschließen. Sei das Verfahren vor der Gütestelle erfolgreich, seien Anwaltskosten von vornherein nicht erstattungsfähig. Unabhängig davon erscheine es nicht sachgerecht, das Kostenfestsetzungsverfahren mit einer Einzelfallprüfung dahingehend zu belasten, ob die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts vor der Gütestelle ausnahmsweise notwendig gewesen sei."
[4] III. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die infolge Zulassung statthafte (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (vgl. § 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht nimmt im Ergebnis zutreffend an, dass die in obligatorischen Güteverfahren angefallenen Kosten anwaltlicher Vertretung nicht als Kosten des späteren Rechtsstreits erstattungsfähig sind.
[5] 1. Die geltend gemachten Anwaltskosten sind nicht nach § 15a Abs. 4 EGZPO als Kosten des Rechtsstreits zu behandeln. Die Vorschrift geht dem von dem Beschwerdegericht herangezogenen § 91 Abs. 3 ZPO allerdings als speziellere Vorschrift vor, weil sie sich auf ein obligatorisches Güteverfahren bezieht (vgl. MüKoZPO/Gruber, 5. Aufl., § 15a EGZPO Rn 55; Jenkel, Der Streitschlichtungsversuch als Zulässigkeitsvoraussetzung in Zivilsachen, S. 223). Die Vorschrift des § 15a Abs. 4 EGZPO erklärt jedoch nur “die Kosten der Gütestelle' zu Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 Abs. 1 und 2 ZPO. Aus ihrem Wortlaut ergibt sich, dass mit ihr nur die Gebühren der Gütestelle erfasst sein sollen. Hinzu kommt, dass es sich bei § 15a Abs. 4 EGZPO um eine dem § 91 Abs. 3 ZPO nachgebildete Vorschrift handelt. Danach gehören nur die Gebühren der Gütestelle zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 Abs. 1 und 2 ZPO, nicht auch die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten (vgl. BGH, Beschl. v. 15.1. 2019 – II ZB 12/17, Rn 10 m.w.N., zfs 2019, 225 m. Anm. Hansens = AGS 2019, 144 m. Anm. N. Schneider = RVGreport 2019,148 (Hansens)). Nichts anderes gilt im Anwendungsbereich des § 15a Abs. 4 EGZPO; die Vorschrift ist in dieser Hinsicht sogar noch deutlicher formuliert.
[6] 2. Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht davon aus, dass es sich bei den hier geltend gemachten Kosten auch nicht um § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterfallende Vorbereitungskosten handelt.
[7] a) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO gehören neben den durch die Einleitung und Führung eines Prozesses ausgelösten Kosten auch diejenigen Kosten, die der Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Rechtsstreits dienen. Diese werden aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit den Prozesskosten zugerechnet und können im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden (vgl. BGH, Beschl. v. 26. ...