Wie lange soll man mit der Klagerhebung warten?
Für den Verzugszeitpunkt kommt es auf den Einzelfall an, gesetzlich geregelt in § 286 Abs. 4 BGB.
Jeder Schadenfall ist anders und mal mehr, mal weniger komplex. Aus Gründen anwaltlicher Vorsorge sollte eine Fristsetzung jedoch stets erfolgen. Die Frist beginnt zu laufen mit Zugang eines spezifischen Anspruchsschreibens unter Darlegung der Anspruchshöhe.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass im Rahmen der Regulierung von Kraftfahrzeugschäden dem nationalen Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers mindestens eine Frist von 4 bis 6 Wochen zu belassen ist, um eine sachgerechte Prüfung der erhobenen Schadensersatzforderungen und die Beschaffung der notwendigen Unterlagen zu ermöglichen (vgl. OLG Koblenz VersR 2016, 1269; OLG Frankfurt/M. VersR 2015, 1373; OLG Köln NJW-RR 2012, 861 mit Bespr. von Balke, SVR 2012, 459 f.; OLG Schleswig, Urt. v. 30.8.2012 – 7 U 146/11; OLG Stuttgart SP 2010, 412 und Urt. v. 21.4.2010 – 3 U 218/09; LG Bremen SP 2014, 422; LG Würzburg, Urt. v. 23.7.2014 – 62 O 2323/13 mit Bespr. von Blüthgen, SVR 2015, 30 f.; AG Hamm SP 2014, 239; AG Hannover SP 2014, 239).
Haben wir einen Unfall mit Auslandsbeteiligung, so verlängert sich die Frist zur Prüfung auf etwa 2 Monate. Hintergrund ist die Zeitverzögerung bei Einholung der Haftungsbestätigung beim ausländischen Versicherer (LG Berlin DAR 2016, 655).
Weiter ist die Frage zu beleuchten, ob einer Kfz-Haftpflichtversicherung gegenüber dem Geschädigten generell das Recht zusteht, die Entscheidung der Eintrittspflicht von einer vorherigen Einsicht in die Ermittlungsakten abhängig zu machen. Diese Frage ist in der Rechtsprechung umstritten:
Dafür: OLG Celle, Urt. v. 23.7.2019 – 14 U 180/18 mit Bespr. Balke, SVR 2019, 343 f.; OLG Koblenz VersR 2016, 1269; KG VersR 2009, 1262; LG Halle, Beschl. v. 14.9.2009 – 1 T 55/09; OLG Hamm SP 1997, 144 und VersR 1988, 1038 f.; LG Mannheim VersR 1983, 962;
dagegen: OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.9.2013 – 3 W 46/13 mit Bespr. von Balke, SVR 2014, 145 f.; OLG München NZV 2011, 309; OLG Dresden NZV 2009, 604;
vermittelnd: OLG Dresden, Beschl. v. 30.7.2007 – 7 W 0863/07 mit Bespr. von Siegel, SVR 2008, 188; OLG Frankfurt/M. VersR 2004, 1595 und VersR 1997, 645 L; OLG Rostock MDR 2001, 935.
Das AG HH St. Georg hat in seiner Entscheidung vom 5.11.2013 (NZV 2014, 470) darauf hingewiesen, dass die rechtliche Bewertung des Gesamtgeschehens durch den Rechtsanwalt, die für die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche erforderlich ist, die Einsichtnahme in die Bußgeldakte standardmäßig voraussetze. Dies gelte selbst dann, wenn die Schuldfrage zwischen den Unfallbeteiligten unmittelbar nach dem Unfall grundsätzlich zunächst unstreitig sei. Denn die Erfahrung mit Verkehrsunfällen in der Praxis zeige, dass dies dennoch nicht zwangsläufig zu einer sofortigen Regulierung der Schäden in voller Höhe durch den Haftpflichtversicherer des Schädigers führe, zumal die Unfallbeteiligten in aller Regel die Rechtsprechung zu den Haftungsquoten und einem etwaigen Mitverschulden bzw. einer Mitverursachung nicht kennen.
Aber spätestens nach der Akteneinsicht geht es los. Und wenn bei eindeutiger Haftungslage über einen Zeitraum von acht Wochen nach Zahlungsaufforderung keinerlei Mitteilung durch die gegnerische Versicherung erfolgt, kann mit gutem Gewissen nun jedenfalls geklagt werden und die Gegenseite befindet sich im Verzug.