Bewertung des Nutzungsvorteils bei Leasingfahrzeugen (Urt. v. 16.9.2021 – VII ZR 192/20)
Der u.a. für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat mit Urt. v. 16.9.2021 (VII ZR 192/20) über Schadensersatzansprüche wegen des Leasings eines von der beklagten Audi AG hergestellten Fahrzeugs entschieden. Danach entspricht im Rahmen der deliktischen Vorteilsausgleichung der Wert der während der Leasingzeit erlangten Nutzungsvorteile eines Kraftfahrzeugs der Höhe nach den vertraglich vereinbarten Leasingzahlungen. Dieser Ansicht gebühre der Vorzug vor der Gegenmeinung, die auch beim Leasing die Nutzungsvorteile im Rahmen des Vorteilsausgleichs nach der für den Fahrzeugkauf anerkannten Berechnungsformel (Fahrzeugpreis mal Fahrstrecke geteilt durch Laufleistungserwartung) vornehmen möchte. Ob eine andere Betrachtung dann geboten sei, wenn aufgrund der Vertragsgestaltung von vornherein feststehe, dass der Leasingnehmer das Fahrzeug nach Ablauf der Leasingzeit übernimmt, hat der Senat dahinstehen lassen.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 172/2021 v. 16.9.2021
Schadensersatzansprüche gegen die Daimler AG im Zusammenhang mit dem sog. "Thermofenster" (Urt. v. 16.9.2021 – VII ZR 190/20, 286/20, 321/20 u. 322/20)
Der VII. Senat des BGH hat ferner mit vier Urteilen v. 16.9.2021 erneut Schadensersatzansprüche gegen die Daimler AG im Zusammenhang mit dem sog. "Thermofenster" verneint. Die jeweils mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 ausgestatteten Fahrzeuge und unterliegen keinem Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt. Die Abgasreinigung erfolgt über die Abgasrückführung, bei der ein Teil der Abgase zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt wird und dort erneut an der Verbrennung teilnimmt. Bei kühleren Temperaturen wird die Abgasrückführung zurückgefahren ("Thermofenster"). Die Kläger machen geltend, die Beklagte habe das Thermofenster in Form einer verbotenen Abschaltvorrichtung exakt auf die Prüfbedingungen im Neuen Europäischen Fahrzyklus abgestimmt und so im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens unter Vorspiegelung der Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte die EG-Übereinstimmungsbescheinigung und die damit einhergehende Betriebserlaubnis erlangt. Unterstellt, es handele sich hierbei um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 sei der – unterstellte – Gesetzesverstoß für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Vielmehr setze die Annahme von Sittenwidrigkeit voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Dies habe das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit eines Thermofensters sei zweifelhaft gewesen, sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ebenso habe es an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz gefehlt. Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage hinsichtlich der Thermofenster fehle es bis heute an einer behördlichen Stilllegung oder einem Zwang zu Umrüstungsmaßnahmen, so dass nicht dargetan sei, sich den für die Beklagte tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung der Kläger hätte aufdrängen müssen.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 173/2021 v. 16.9.2021