OWiG § 33
Leitsatz
Bei einer Streckenlänge von ca. 1 km ohne nähere markante Ortsangabe ist zusammen mit der genauen Angabe der Tatzeit sowie des vom Betroffenen geführten Fahrzeugs eine ausreichende Konkretisierung und Individualisierung des Tatgeschehens möglich.
LG Kaiserslautern, Beschl. v. 7.2.2022 – 5 Qs 3/22
Sachverhalt
Gegen den Betroffenen war ein Bußgeldbescheid wegen einer innerorts begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung ergangen. Als Ort des Verstoßes war angegeben: "Kaiserslautern Berliner St.". Das AG hat das Verfahren nach § 206a StPO eingestellt, da mit dieser unbestimmten Angabe weder der Anhörungsbogen noch der Bußgeldbescheid geeignet gewesen wären, die Verfolgungsverjährung zu unterbrechen. Die Straße erstrecke sich über 1 km, ohne dass i.S.d. Rspr. des OLG Koblenz (zfs 2021, 412) ein markanter Punkt zur Konkretisierung und auch nicht die Fahrtrichtung angegeben gewesen sei. Das LG Kaiserslautern hat auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft den Beschluss des AG aufgehoben.
2 Aus den Gründen:
[…] II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 9 OWiG ist durch Anhörung des Betroffenen sowie Erlass des Bußgeldbescheids die Verfolgungsverjährung unterbrochen worden, da die Ortsangabe "Kaiserslautern Berliner St." und Nennung einer konkreten Tatzeit im vorliegenden Fall zur Konkretisierung und Individualisierung des Tatgeschehens genügen.
Voraussetzung hierfür ist, dass dem Betroffenen die Möglichkeit eröffnet wird, die ihm vorgewordene Ordnungswidrigkeit einem konkreten Geschehen zuzuordnen und diese deutlich von anderen Sachverhalten abgrenzen zu können (Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 33 Rn 56a). Dabei dürfen jedoch bei Massenverfahren im Bereich der Ordnungswidrigkeiten keine überhöhten Anforderungen an entsprechende Sachverhaltsangaben gestellt werden, sodass bei Ortsangaben keine auf den Meter genaue Streckenangabe erforderlich ist. Vielmehr reicht beispielsweise schon die Angabe eines markanten Punktes auf einer längeren Strecke aus, wenn dadurch im Einzelfall eine Konkretisierung des Tatgeschehens für den Betroffenen möglich ist (OLG Koblenz zfs 2021, 412).
Wie das AG im vorliegenden Fall zutreffend feststellt, erstreckt sich die Berliner Straße in Kaiserslautern über etwa einen Kilometer Länge. Auf dieser gilt durchgehend eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Zwar weist eine Strecke von etwa einem Kilometer grundsätzlich eine nicht unerhebliche Länge auf, jedoch muss hier berücksichtigt werden, dass gerade beim Führen eines Kraftfahrzeugs eine Strecke von einem Kilometer als recht überschaubar anzusehen ist und innerhalb einer kurzen Zeit – hier etwa 1 bis 2 Minuten – zurückgelegt wird. Zusammen mit der genauen Angabe der Tatzeit sowie des vom Betroffenen geführten Fahrzeugs ist eine ausreichende Konkretisierung und Individualisierung des Tatgeschehens möglich.
Hinzukommt, dass der Betroffene zu keiner Zeit vorträgt, er könne die ihm vorgeworfene Ordnungswidrigkeit nicht einer bestimmten Örtlichkeit oder einem bestimmten Geschehen zuordnen, sodass vorliegend insbesondere auch keine Verwechslungsgefahr mit ähnlichen Sachverhalten besteht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 465, 473 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 StPO analog, 46 Abs. 1 OWiG.
3 Anmerkung:
Die Entscheidung setzt scheinbar die Rechtsprechung des OLG Koblenz zur Frage der fehlenden Eignung des Bußgeldbescheids zur Verjährungsunterbrechung fort, unterliegt dabei jedoch einem typischen Denkfehler, der aber bei der dogmatischen Abgrenzung zwischen Wirksamkeit des Bußgeldbescheids und Eignung des Bußgeldbescheids zur Verjährungsunterbrechung allgegenwärtig ist. Denn die "Verwechslungsgefahr" für den Betroffenen ist eine Frage der Wirksamkeit und geht zurück auf die Rechtsprechung des BGH (BGHSt 10, 137). Die Wirksamkeit des Bußgeldbescheids hat das Gericht nach § 66 OWiG zu prüfen und – in der Tat – an dieser dürfte hier kein Zweifel bestehen, da die Runduminformationen um den Kernvorwurf das Gericht in die Lage versetzen, den Anspruch, ggf. durch ergänzende Heranziehung der Akte, vollumfänglich zu prüfen. Hingegen ist dem AG hier voll zuzustimmen, dass die Ortsangabe "Kaiserslautern Berliner St." bei der selbst vom LG erkannten "nicht unerheblichen" Länge von 1km unzureichend ist, um dem Betroffenen eindeutig vor Augen zu führen, wo er den Verstoß begangen haben soll. Die Eignung zur Verjährungsunterbrechung ist also zu verneinen.
Dass man bei 50 km/h die gesamte Straße in ca. 1–2 Minuten durchfahren hat, ist rechnerisch zutreffend (72 Sekunden bei unterstellter gleichbleibender Geschwindigkeit). Warum man aus diesem Umstand jedoch Rückschlüsse auf die Bestimmbarkeit des Verstoßes ziehen können soll, erschließt sich mir nicht. Denn das LG hat weder die genaue Straßenführung beschrieben noch den Umstand nachgewiesen, dass der Betroffene tatsächlich die gesamte Straße befahren hat. Nur dass die Messstelle innerhalb dieser Straße belegen war, lässt sich mit Sicherheit feststellen. Zur Fahrereigenschaft gibt es darüber hinaus auch nur die...