I. Kein Rechtsstreit in der Hauptsache anhängig
Die wichtigste Neuerung gegenüber dem vormaligen Beweissicherungsverfahren (§ 485 a.F.) beruht darauf, dass die schriftliche Begutachtung durch Sachverständige kein Sicherungsinteresse verlangt, wie dies in § 485 Abs. 1 ZPO vorgesehen ist, sondern allein ein rechtliches Interesse daran, dass gewisse Umstände festgestellt werden. Das rechtliche Interesse ist nach der Legaldefinition des § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzunehmen "wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann". Da § 485 Abs. 2 ZPO nach der Intention des Gesetzgebers vor allem dem Ziel einer außergerichtlichen Streitbeilegung dient, kann das Verfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO nur vor oder statt eines Rechtsstreits stattfinden. Primäres Ziel dieses Verfahrens ist es, die Gerichte zu entlasten und einen sich eventuell anschließenden Hauptsacheprozess zu verhindern. Die Beschränkungen der Beweisaufnahme durch Sachverständige nach § 485 Abs. 2 ZPO auf vorgerichtliche Fallkonstellationen soll darüber hinaus eine Doppelbelastung des Gerichts und des Gegners vermeiden.
II. Schriftliche Begutachtung durch Sachverständige
Anders als nach § 485 Abs. 1 ZPO kann auf der Grundlage des Absatzes 2 nur die Begutachtung durch Sachverständige angeordnet werden, wie der eindeutige Gesetzeswortlaut belegt. Die nach § 485 Abs. 1 ZPO einvernehmlich oder zur Sicherung vorgesehene Inaugenscheinnahme bzw. Vernehmung von Zeugen kann auch nicht auf den Sachverständigen übertragen werden.
III. Rechtliches Interesse an der Beweissicherung
Nach der Legaldefinition des § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist ein rechtliches Interesse anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist das erforderliche rechtliche Interesse grundsätzlich weit zu verstehen. Nur so kann dem auf Prozessvermeidung gerichteten Zweck des Gesetzes Rechnung getragen werden. Antragsgegner haben nun in der praktischen Durchführung bei einem beantragten Beweisverfahren häufig eingewandt, dass das rechtliche Interesse fehle, weil keinesfalls eine außergerichtliche Regulierung zu erreichen sei, weil trotz der Sachverständigenfeststellungen keinerlei Zahlung erfolgen werde bzw. man das Ergebnis der Sachverständigenbegutachtung keinesfalls gegen sich gelten lassen werde. Der Einwand, keinerlei Regulierung durchzuführen bzw. das gefundene Beweisergebnis nicht akzeptieren zu wollen, verfängt schon deshalb nicht, weil bei dieser Argumentation verkannt wird, dass das Ergebnis der Sachverständigenfeststellungen dazu führen kann, dass jedenfalls der Anspruchsteller seinen vermeintlichen Anspruch nicht weiterverfolgt. Im Übrigen zeigt die Praxis des Verfassers, dass nach sachverständig getroffenen Feststellungen der Versicherer im Folgenden einen Prozess vermeiden möchte, auch wenn er anderes zunächst kundgetan hat. Da das Ergebnis des selbstständigen Beweisverfahrens im folgenden Prozess Verwendung finden wird, ist es nachvollziehbar, dass in solchen Fällen ein anschließender Prozess tatsächlich nicht mehr stattfindet. Danach ist festzuhalten, dass eine fehlende Gütebereitschaft das rechtliche Interesse nicht beseitigen kann. Das rechtliche Interesse wird allein dann zu verneinen sein, wenn offenkundig ist, dass der Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann.
1. Zustand einer Person, Zustand oder Wert einer Sache
Mit dem Antrag auf schriftliche Begutachtung nach § 485 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kann der Antragsteller erreichen, dass der Zustand von Person oder Sache beweiskräftig festgestellt wird, um damit die Grundlage für Schadenersatz- oder Gewährleistungsansprüche zu legen. So kann der medizinische Sachverständige als Grundlage für außergerichtliche Vergleichsverhandlungen oder aber zur Vorbereitung einer späteren Schadenersatzklage den Zustand einer Person, das heißt die aktuell feststellbaren Verletzungen bzw. gesundheitlichen Einschränkungen dokumentieren und insbesondere auf Tatsachen gestützte Feststellungen treffen, von welcher unfallbedingten MdE auszugehen ist oder ob gar eine Pflegebedürftigkeit anzunehmen ist. Der Kfz-Sachverständige kann zu de...