VwGO § 164 § 165; BGB § 362
Leitsatz
Der Voraussetzungen einer ausnahmsweisen Beachtlichkeit des materiell-rechtlichen Einwandes der Erfüllung sind im Kostenfestsetzungsverfahren nicht gegeben, wenn die Zahlung nur unter Vorbehalt während des Festsetzungsverfahrens erfolgt.
VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 8.4.2022 – 7 KE 27/20
Sachverhalt
Auf Antrag der erstattungsberechtigten Partei hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des VG Frankfurt (Oder) die Kosten gegen den erstattungspflichtigen Gegner festgesetzt. Der Erstattungspflichtige hat hiergegen die Entscheidung des Gerichts (Erinnerung) beantragt und geltend gemacht, er habe den geltenden Erstattungsanspruch einschließlich des Zinsanspruchs vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses vollständig erfüllt. Dies war zwar zwischen den Beteiligten unstreitig, die Zahlung war jedoch unter Vorbehalt erfolgt. Den Grund für den Vorbehalt hat der Erstattungspflichtige nicht offengelegt und sich vielmehr weiter gegen den Kostenfestsetzungsantrag gewendet.
Das VG Frankfurt (Oder) hat die Erinnerung zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
Zitat
Die nach § 165 S. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Erinnerung, über die gemäß § 6 VwGO der Einzelrichter des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers des Gerichts des ersten Rechtszuges entscheidet, ist unbegründet. Der Erinnerungsführer dringt mit seinem Einwand, die während des Festsetzungsverfahrens unter Vorbehalt erfolgte Zahlung des mit dem Kostenfestsetzungsantrag geltend gemachten Betrags nebst Zinsen stehe der Festsetzung entgegen, nicht durch.
Im Kostenfestsetzungsverfahren sind grundsätzlich materiell-rechtliche Einwendungen gegen den prozessualen Kostenerstattungsanspruch nicht zu berücksichtigen. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die materiell-rechtlichen Einwendungen offensichtlich begründet sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5. 12. 2007 – 4 KSt 1007/07 –, juris Rn 7, RVGreport 2008,58 (Hansens); Bay. VGH, Beschl. v. 28.6.2005 – 13 A 01.1909 –, NVwZ-RR 2006, 221 m.w.N.). In dem Fall, dass der geltend gemachte Erstattungsanspruch einschließlich des Zinsanspruches unstreitig vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses vollständig erfüllt worden ist, besteht für die begehrte Kostenfestsetzung dann auch kein Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Beschluss der Kammer vom 14.4.2020 – VG 7 KE 15/20 –, juris; OLG Celle, Beschl. v. 26.11.2018 – 2 W 221/18 –, RVGreport 2019, 301 (Hansens) = JurBüro 2019, 206 f., juris Rn 2; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.2.2004 – II-10WF 23/03, 10 WF 23/03 –, AGS 2004, 309 m. Anm. Schneider = JurBüro 2004, 321, juris Rn 2).
Davon ausgehend ist der Erfüllungseinwand des Erinnerungsführers als materiell-rechtliche Einwendung nicht zu berücksichtigen, weil die Erfüllungswirkung der erfolgten Zahlung nicht offensichtlich oder unstreitig ist. Die während des Festsetzungsverfahrens erfolgte Zahlung unter Vorbehalt ist, weil der Erinnerungsführer den Grund für den Vorbehalt nicht offengelegt hat und sich weiter gegen den Festsetzungsantrag wendet, dahin auszulegen, dass sie das Festsetzungsverfahren nicht beeinflussen soll und der Erinnerungsgegner die Darlegungs- und Beweislast für den geltend gemachten prozessualen Kostenerstattungsanspruch weiterhin tragen soll. In einer solchen Konstellation wird auch in der Rechtsprechung des BGH die Erfüllungswirkung einer Zahlung unter Vorbehalt abgelehnt (vgl. zum Klageverfahren BGH, Urt. v. 6.10.1998 – XI ZR 36/98 –, juris Rn 36 und vom 18.9.1992 – V ZR 84/91 –, juris Rn 26).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3 Anmerkung:
Der Entscheidung des VG Frankfurt (Oder) ist zuzustimmen. Zwar war hier die Zahlung des Erstattungsbetrages als solche unstreitig. Nicht offensichtlich und wohl auch nicht unstreitig war indes die Frage, ob durch diese Zahlung auch die Erfüllungswirkung eingetreten war. Dies hat das VG zu Recht verneint. Denn nur eine unstreitig vorbehaltlose Zahlung ist im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen (s. OLG Düsseldorf AGS 2004, 309 m. Anm. N. Schneider).
Die Entscheidung des VG Frankfurt (Oder) gibt Anlass, auf den in der Praxis nicht selten vorgebrachten Einwand der Erfüllung näher einzugehen. Dabei soll die unterschiedliche Behandlung eines solchen Einwandes im Kostenfestsetzungsverfahren nach den § 164 VwGO und §§ 103 ff. ZPO einerseits und im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG andererseits verdeutlicht werden.
Berücksichtigung des Zahlungseinwandes im Kostenfestsetzungsverfahren
Während im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG ein materiell-rechtlicher Einwand, der nicht völlig haltlos ist, zur Ablehnung der Festsetzung gem. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG führt, ist ein solcher Einwand im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist nämlich zur Klärung streitiger Fragen nicht vorgesehen und auch nicht geeignet (BGH RVGreport 2007, 110 (Hansens); BGH RVGreport 2006, 223 (Ders.) = AGS 2007, 219; OLG Celle RVGreport 2017, 159 (Ders.) = AGS 2018, 39: Nichtigkeit des Anwaltsvertrages; BVerwG RVGreport 2008, 58 (Ders.) ...