StVZO § 31a; DSGVO Art. 6, 17
Leitsatz
Nach der Rechtsprechung des Senats, ist – ungeachtet der Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs der DSGVO – im Falle des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a StVZO eine Weitergabe der persönlichen Daten des verantwortlichen Fahrers an die Polizei nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO zur Wahrung der berechtigten Interessen des Polizeiverwaltungsamts, eines Dritten im Sinne von Art. 4 Nr. 10 DSGVO, bei Abwägung mit den Interessen des Fahrzeugführers zulässig.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BayVGH, Beschl. v. 22.7.2022 – 11 ZB 22.895
Sachverhalt
Der Kl. wendet sich gegen die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs.
Am 6.12.2021 erhob der Kläger Anfechtungsklage, die das VG München mit Urt. v. 21.1.2022 – M 23 K 21.6317 – abwies. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anordnung eines Fahrtenbuchs lägen vor. Die Feststellung des Fahrzeugführers sei unmöglich gewesen. Die Polizei habe alle zumutbaren und angemessenen Ermittlungsmaßnahmen getroffen, insbesondere dem Kl. den Zeugenfragebogen innerhalb von zwei Wochen übersandt. Ob der Kl. von der Person der verantwortlichen Fahrzeugführerin Kenntnis gehabt und die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers mitverschuldet habe, sei nicht entscheidend. Im Übrigen dürfte es sich um eine reine Schutzbehauptung handeln, wenn der Kl. vortrage, bei Probefahrten die Daten der Fahrzeugführer nicht festzuhalten, da dies eigenen Interessen sowie der Lebenserfahrung widerspreche. Die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden und genüge insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Bekl. entgegentritt, macht der Kl. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten sowie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
2 Aus den Gründen:
Zitat
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend dargelegt sind (§ 124 Abs. 4 S. 4, § 124a Abs. 5 S. 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen des Kl., auf das sich die Prüfung des VGH beschränkt (§ 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2 VwGO), ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), da er weder einen tragenden Rechtssatz des angefochtenen Urteils noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 Rn 16; Beschl. v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 = Rn 32 m.w.N.).
a) Nach § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO v. 26.4.2012 (BGBl I S. 679), zul. geä. durch Gesetz v. 12.7.2021 (BGBI I S. 3091), kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Sie kann hierfür ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen (§ 31a Abs. 1 S. 2 StVZO). Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 StVZO erfüllt, liegen der Erlass der Anordnung und die Bestimmung der Dauer im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde (BVerwG, Urt. v. 28.5.2015 – 3 C 13.14 – BVerwGE 152, 180 Rn 16) und müssen sich damit als verhältnismäßig erweisen.
b) Davon ausgehend stellt die Antragsbegründung die Annahme des VG, dass die Feststellung des Fahrzeugführers unmöglich war, nicht ernstlich in Zweifel.
Die Feststellung des Kfz-Führers ist im Sinne von § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um ihn zu ermitteln. Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen insbesondere von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab. Die Behörde hat in sachgemäßem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen zu treffen, die in gleich gelagerten Fällen erfahrungsgemäß zum Erfolg führen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1982 – 7 C 3.80 – VRS 64, 466 = juris Rn Rn 7). Verweigert der Fahrzeughalter seine Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers, sind weitere Ermittlungen in der Regel nicht zumutbar (BVerwG, Urt. v. 17.12.1982 a.a.O.). Vielmehr darf ein Fahrzeughalter, der unter Vernachlässigung seiner Aufsichtsmöglichkeiten nicht dartun kann oder will, wer im Zusammenhang mit einer Verkehrszuwiderhandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt sein Fahrzeug gefahren hat, grundsätzlich durch das Führen eines Fahrtenbuchs zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung angehalten werden (BVerwG, Beschl. v. 23.6.1989 – 7 B 90.89 – NJW 1989, 2704 = juris Rn 8; BayVGH, Beschl. v. 6.5.2010 – 11 ZB 09.2947 – SVR 2010, 347 = juris Rn 8). Allerdings muss die Verfolgungsbehörde...