ZPO § 3; GKG § 63 Abs. 1 S. 2 § 67 Abs. 1 S.1
Leitsatz
Zum Streitwert einer Herausgabeklage auf Mandantenunterlagen, wenn die Herausgabe ausschließlich wegen offener Honorarforderungen verweigert wird.
LG Bremen, Beschl. v. 24.11.2021 – 4 T 431/21
Sachverhalt
Die Kläger hatten der Beklagten, (wohl) eine Steuerberaterin, zum Zwecke der Beratung oder Vertretung Unterlagen übergeben. Nach Beendigung des Mandats berechnete die Beklagte den Klägern eine Vergütung i.H.v. 4.157,80 EUR und machte die Herausgabe der Unterlagen von der vollständigen Zahlung der Vergütung abhängig. Hieraufhin erhoben die Kläger vor dem AG Bremerhaven gegen die Beklagte Klage auf Herausgabe der Unterlagen. Das AG setzte den Streitwert durch Beschl. v. 26.7.2021 vorläufig fest, auf welchen Betrag, wird in den Gründen der Entscheidung des LG Bremen nicht mitgeteilt. Hiergenen haben die Kläger Beschwerde eingelegt, wobei den Beschlussgründen nicht zu entnehmen ist, ob sie auf Heraufsetzung oder asuf Herabsetzung gerichtet war, was wohl eher der Fall gewesen sein dürfte. Jedenfalls begehrten die Käger die (vorläufige) Festsetzung des Streitwertes auf den Vergütungsbetrag i-H.v. 4.157,80 EUR. Die Beschwerde der Kläger hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen:
Zitat
I. Die Streitwertbeschwerde ist zulässig.
Die Beschwerde gegen eine vorläufige Streitwertfestsetzung ist gemäß §§ 63 Abs. 1 S. 2, 67 Abs. 1 S. 1 GKG dann zulässig, wenn die angefochtene Entscheidung zugleich beinhaltet, dass die Tätigkeit des Gerichts von der vorherigen Zahlung weiterer, nach dem vorläufig festgesetzten Streitwert berechneter Kosten abhängig gemacht wird; anderenfalls ist die Partei durch die nur vorläufige Streitwertfestsetzung nicht beschwert (Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 2.6.2020 – 1 W 16/20 –, AGS 2021, 281; OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.4.2019 – 6 W 21/19, AGS 2019, 289; OLG Köln, Beschl. v. 28.6.2016 – 10 WF 38/16, AGS 2017, 47; OLG Rostock, Beschl. v. 11.10.2010 – 3 W 170/10, AGS 2011,305). Dies ist hier der Fall.
II. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Bei der Klage eines Mandanten gegen seinen ehemaligen Berater (Rechtsanwalt oder Steuerberater) auf Herausgabe der Mandatsunterlagen werden hinsichtlich der Streitwertfestsetzung unterschiedliche Ansätze vertreten. Einer Ansicht nach ist der Streitwert mit demjenigen Aufwand zu bemessen, den der Mandant für die Neuerstellung der Unterlagen/Ermittlung der benötigten Informationen aufwenden müsste (Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 18.2.2005 – 12 W 3/04, OLGR Hamburg 2005, 524 = ZinsO 2005,50). Teilweise wird bei einem Steuerberater auf den möglichen steuerlichen Nachteil abgestellt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.12.2004 – I-23 U 36/04, NJW-RR 2005, 364). Einer anderen Ansicht nach wird in Fällen, in denen sich der Berater auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen offener Honorare beruft, auf den Wert des Zurückbehaltungsrechts abgestellt (OLG München, Urt. v. 15.2.2017 – 20 U 3317/16 –, Rn 13 – 14, juris).
Die Kammer ist der Auffassung, dass sich eine streng schematische Betrachtung verbietet. Vielmehr ist im Einzelfall zu schauen, worin der Schwerpunkt des Streites liegt, um daraus das wirtschaftliche Interesse der klagenden Partei ableiten zu können. Im vorliegenden Fall besteht nach dem Vortrag der Kläger kein Streit darüber, dass die Unterlagen überhaupt bei der Beklagten vorhanden sind. Die Beklagte verweigert die Herausgabe nach derzeitigem Stand ausschließlich unter Berufung auf ein offenes Honorar i.H.v. 4.157,80 EUR. Diese Summe entspricht demnach dem derzeitigen Aufwand, den die Kläger (vor-)leisten müssten, um an die begehrten Unterlagen zu kommen. Daher entspricht auch diese Summe dem Streitwert. Derzeit besteht das wirtschaftliche Interesse der Kläger darin, die Unterlagen ohne Vorleistung der vermeintlichen Honoraransprüche zu erlangen …
3 Anmerkung:
Die Entscheidung des LG Bremen gibt Anlass, sich mit dem anwaltlichen Zurückbehaltungsrecht und dem Streitwert einer Klage des Mandanten auf Herausgabe der dem Anwalt übergebenen Unterlagen näher zu befassen. Der Entscheidung des LG lag (wohl) eine Klage gegen eine Steuerberaterin zugrunde. Die Regelungen über die Handakten, die Herausgabe von Unterlagen und das Zurückbehaltungsrecht der Steuerberater in § 66 StBerG einerseits und der Rechtsanwälte in § 50 BRAO andererseits stimmen in den entscheidenden Punkten aber fast wörtlich überein. Nur hinsichtlich der Aufbewahrungsfrist bestehen zwischen dem Rechtsanwalt (§ 50 Abs. 1 S. 2 BRAO: sechs Jahre und dem Steuerberater (§ 66 Abs. 1 S. 2 StBerG: zehn Jahre) merkbare Unterschiede. Die Entscheidung des LG Bremen, die wohl eine Steuerberaterin betroffen hat, hat wegen der weitgehenden Übereinstimmung der maßgeblichen Gesetzesvorschriften durchaus auch für die Rechtsanwälte Bedeutung, die einer Herausgabeklage ihres Mandanten ausgesetzt sind.
Herausgabepflicht des Rechtsanwalts
Der Anwaltsdienstvertrag ist ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.v. § 675 BGB. Somit gilt auch die Regelung des § 667 BGB, wonach der Beauftragte (also der Anwalt) verpflichtet ist,...