VVG § 86; ZPO § 144; AKB 2013 A 2.7.1.
Leitsatz
1. Dem VN obliegt die Darlegungs- und Beweislast eines bei der fiktiven Bestimmung des Restwerts seines Fahrzeugs maßgeblichen niedrigeren Veräußerungswerts.
2. Die Möglichkeit, ein Sachverständigengutachten von Amts wegen einzuholen in Fällen schlüssig vorgetragener und wirksam bestrittener, von Amts wegen zu prüfender, nicht nach eigener Sachkunde zu beurteilender Tatsachen entbindet eine Partei nicht von ihrer Darlegungs- und Beweislast.
3. In Fällen eines vom VN mitverschuldeten Unfalls sind die vom gegnerischen Haftpflichtversicherer bei der Berechnung der Kaskoentschädigung nur in Höhe des Betrages abzuziehen, um den die quotenbevorrechtigten Schadenspositionen und der Haftungsanteil des Unfallgegners an den nicht kongruenten Positionen hinter der Leistung des Unfallgegners zurückbleiben. (Leitsätze der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 31.5.2023 – IV ZR 299/22
1 Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Höhe der Versicherungsleistung aus einer vom Kl. bei der Bekl. gehaltenen Kfz-Versicherung.
Der Kl. ist Halter des mit einer Selbstbeteiligung von 1.000 EUR bei der Bekl. vollkaskoversicherten Fahrzeugs, das bei einem Verkehrsunfall am 14.9.2019 beschädigt wurde. Dem Versicherungsvertrag liegen AKB zugrunde, die unter anderem bestimmen:
“… A.2.7.1 Wird das Fahrzeug beschädigt, zahlen wir die für die Reparatur erforderlichen Kosten bis zu folgenden Obergrenzen:
a) Wird das Fahrzeug vollständig repariert, zahlen wir die hierfür erforderlichen Kosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts nach A.2.6.7, wenn Sie uns dies durch eine Rechnung nachweisen. Fehlt dieser Nachweis, zahlen wir entsprechend A.2.7.1.b.
b) Wird das Fahrzeug nicht oder nicht vollständig repariert, zahlen wir die erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswerts (siehe A.2.6.7 und A.2.6.8) …“
In einem Rechtsstreit des Kl. gegen den Unfallgegner und dessen Haftpflichtversicherer wurden die Haftung des Unfallgegners mit 40 % festgesetzt und bei der Berechnung des Schadens am Fahrzeug des Kl. Nettoreparaturkosten in Höhe von 7.002,04 EUR, ein unfallbedingter Minderwert des Fahrzeugs von 250 EUR sowie Sachverständigenkosten für ein vom Kl. eingeholtes Schadengutachten von 727,33 EUR zugrunde gelegt, ferner ein Nutzungsausfall von 180 EUR und eine Pauschale von 25 EUR. Der Haftpflichtversicherer zahlte auf diese Positionen insgesamt 3.273,75 EUR, wovon ein Teilbetrag von 3.110,13 EUR auf Reparaturkosten, Minderwert und Sachverständigenkosten entfiel.
Der Kl. ließ sein Fahrzeug in Eigenregie instand setzen; eine Rechnung darüber legte er nicht vor. Die Bekl., deren Eintrittspflicht dem Grunde nach unstreitig ist, zahlte an den Kl. 3.362,48 EUR, wobei sie einen Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs von 9.564,80 EUR und Sachverständigenkosten für das Schadengutachten von 727,33 EUR zugrunde legte und hiervon einen Restwert von 4.688 EUR sowie Leistungen des Haftpflichtversicherers des Unfallgegners von 2.241,65 EUR in Abzug brachte.
Mit seiner Klage hat der Kl. die Zahlung weiterer 1.809,39 EUR sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, die Abrechnung der Bekl. berücksichtige sein Quotenvorrecht nicht. Außerdem sei der in Ansatz gebrachte Restwert unzutreffend; dieser belaufe sich laut dem von ihm eingeholten Schadengutachten auf lediglich 3.900 EUR.
Das BG hat die Bekl. zur Zahlung weiterer 514,32 EUR verurteilt und die Revision zugelassen.
2 Aus den Gründen:
[8] II. Nach Auffassung des BG ergibt sich unter Berücksichtigung der Regeln des Quotenvorrechts für den Kl. ein weiterer Anspruch in Höhe von 514,32 EUR.
[9] Der Umfang der (maximalen) Entschädigungspflicht der Bekl. ergebe sich aus den dem Vertrag zugrunde liegenden AKB. Da der Pkw des Kl. in Eigenregie repariert worden sei, seien die von der Bekl. grundsätzlich zu erstattenden Reparaturkosten auf den Wiederbeschaffungsaufwand begrenzt, der hier 4.876,80 EUR (9.564,80 EUR – 4.688 EUR) betrage. Für seine von der Bekl. substantiiert bestrittene Behauptung, dass nur ein Restwert in Höhe von 3.900 EUR erzielbar gewesen wäre, sei vom Kl. in erster Instanz kein Beweis angeboten worden, was sich, da er die Beweislast hierfür trage, zu seinen Lasten auswirke; daher sei der von der Beklagtenseite angegebene Restwert der Berechnung zugrunde zu legen. Das im Berufungsverfahren angebotene Sachverständigengutachten sei wegen Verspätung nicht zu erholen. Die vereinbarte Selbstbeteiligung von 1.000 EUR sei bei der grundsätzlichen Berechnung des Leistungsanspruchs gegenüber der Bekl. in Abzug zu bringen, da sich für den Kaskoversicherer dessen Leistungsgrenze aus seinem maximalen vertraglichen Leistungsversprechen ergebe. Von den vom Kaskoversicherer zu begleichenden 3.876,80 EUR (4.876,80 EUR – 1.000 EUR) sei grundsätzlich nicht die gesamte Leistung des Haftpflichtversicherers in Höhe von 3.273,75 EUR in Abzug zu bringen, da hier das Quotenvorrecht nicht berücks...