1. Haftungsgrundsätze – Betriebsgefahr
Kommt es zur Kollision zwischen einem der Vorschrift des § 7 StVG unterfallenden Verkehrsteilnehmer und einem Fußgänger, so ist Ausgangspunkt der Haftungsbewertung unter den Beteiligten die dem Fahrzeug innewohnende Betriebsgefahr als Folge der Gefährdungshaftung. Kann keiner der Beteiligten dem anderen einen eigenen Verkehrsverstoß nachweisen, so stellt die Betriebsgefahr den einzigen Haftungsanker dar. In diesen Fällen kommt es zur Alleinhaftung auf Seiten des Fahrzeughalters/-führers. Die sich aus der Betriebsgefahr ergebene Ersatzpflicht ist gegenüber einem nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmer nur dann ausgeschlossen, wenn der Unfall im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG auf höherer Gewalt beruht, also auf einem "außergewöhnlichem, betriebsfremden, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen Dritter herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlichen Mitteln auch durch äußerste, nach Sachlage vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmen in Kauf zu nehmen ist". § 17 StVG ist nur bei Kollisionen zwischen Beteiligten anzuwenden, die jeweils für eine Betriebsgefahr einzustehen haben. Das Berufen auf eine Unabwendbarkeit i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG gegenüber einem Fußgänger kommt für den motorisierten Verkehr seit der Gesetzesreform zum 1.8.2002 nicht in Betracht.
Einfallstor für die (Mit-)Haftung des Fußgängers und eine dann doch durchzuführende Abwägung der Verursachungsbeiträge ist § 9 StVG i.V.m. § 254 BGB i.V.m. (vor allem) § 25 StVO. Beweisbelastet ist der Halter des beteiligten Fahrzeugs.
Gegenüber den in § 3 Abs. 2a StVO genannten, besonderen Personengruppen haben sich Fahrzeugführer besonders umsichtig zu verhalten. Das Gesetz spricht hier – wie bei den sog. "Todsünden" – zwar auch von einem "Ausschließen einer Gefährdung", dies ist aber nicht im Sinne des ansonsten schon aus dieser Formulierung abgeleiteten Anscheinsbeweises zu verstehen. Kommt es zu einer Kollision zwischen einem Fahrzeug und einem Mitglied der nach dieser Vorschrift besonders geschützten Personengruppe, so wird bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge in aller Regel selbst bei Ausfüllen eines Verschuldenstatbestands auf Seiten des Fußgängers eine gewisse Milde an den Tag zu legen und der Fahrzeughalter stärker in die Haftung zu nehmen sein.
2. Verschuldenstatbestände
a) Des Fahrzeugführers/-halters
Häufig wird in Haftungsfällen unter Beteiligung eines Fahrzeugs und eines Fußgängers recht undifferenziert jeder denkbare Verschuldenstatbestand des Fahrzeugführers als haftungsbegründend (besser: neben der Betriebsgefahr des Fahrzeugs und einem möglichen Verkehrsverstoß des Fußgängers haftungsschärfend) ins Feld geführt. Dabei wird meist übersehen, dass der Fußgänger sich hinsichtlich des von ihm nachzuweisenden Verschuldens des Fahrzeugführers nur auf solche Tatbestände berufen kann, die sich tatsächlich auf den Unfall ausgewirkt haben und hinsichtlich ihres Schutzzwecks der Vermeidung des konkreten Unfalls dienen. Bei von der Seite in den Verkehrsraum tretenden und querenden Fußgängern dürfte dies i.d.R. nur bei einem Verstoß gegen das Sichtfahrgebot/die Geschwindigkeitsvorgaben des § 3 StVO und bei einem Verstoß gegen § 6 StVO der Fall sein. Die Vorschriften der §§ 4, 5, 7 und 8 StVO hingegen schützen auf die Straße laufende Fußgänger nicht. Besondere Verhaltensanforderungen gelten bei den in § 3 Abs. 2a StVO genannten, besonders geschützten Personengruppen sowie im räumlichen Kontext von Fußgängerüberwegen i.S.d. § 26 StVO.
b) Des Fußgängers
Die (Mit-)Haftung des Fußgängers kann sich vor allem aus § 25 StVO ergeben. Danach ist im Längsverkehr ein vorhandener Fußweg durch den Fußgänger grundsätzlich auch zu benutzen. Es darf nur auf der Straße gegangen werden, wenn weder Gehweg noch Seitenstreifen vorhanden ist, wegen mitgeführter Gegenstände der Fußweg mangels dessen ausreichender ...