Wenn ein Richter einen Vergleichsvorschlag mit der Ankündigung verknüpft, dass im Falle seiner Ablehnung Beweis zu erheben sei, den der Kläger zu bevorschussen habe, ist dies nicht zu beanstanden, sondern eine notwendige prozessuale Konsequenz einer fehlenden Einigung. Wenn allerdings die angekündigte Beweisaufnahme objektiv gar nicht erforderlich ist und der Kläger durch die Auflage zu unnötigen, wenn nicht gar unverhältnismäßigen Aufwendungen verpflichtet wird, so kann man den Eindruck gewinnen, dass hier einer Partei die Zustimmung zu dem vorgeschlagenen Vergleich abgezwungen werden soll. Ein solcher Fall liegt der obigen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes NRW zugrunde. Der Kläger hatte gerade mal auf den Ersatz von weiteren Mietwagenkosten in Höhe von 208,20 EUR angetragen. Das Amtsgericht wollte die Sache vergleichen. Seinen Vergleichsvorschlag verknüpfte es allerdings mit der Ankündigung, im Falle der Ablehnung Sachverständigenbeweis erheben zu wollen und setzte fest, dass der Kläger in diesem Falle einen Kostenvorschuss in Höhe von 2.000 EUR (!) zu leisten habe. – Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!?
Gewiss, nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO entscheidet das Gericht über die Frage, ob ein Schaden entstanden und wie hoch er zu veranschlagen ist, unter Würdigung aller Umstände "nach freier Überzeugung". Und § 287 Abs. 1 S. 2 ZPO stellt ausdrücklich fest, dass auch die Entscheidung über die Frage, ob und inwieweit es insoweit eine Begutachtung durch Sachverständige bedarf, dem Ermessen des Gerichts überlassen ist. Nichtsdestotrotz bedarf auch diese gerichtliche Entscheidung eines sachlichen Grundes. Sie darf nicht willkürlich sein. Willkürlich wäre die Anordnung eines Sachverständigengutachtens etwa, wenn der Richter in anderen Fällen zur Schadensschätzung auf die gängigen Tabellen zurückgegriffen und nur in diesem Falle zur einvernehmlichen Beendigung des Rechtsstreits mit der Erhebung eines unverhältnismäßig teuren Sachverständigen-Gutachtens gedroht hätte. Aber auch wenn dies hier nicht der Fall und die Entscheidung von grundsätzlichen Zweifeln an der herrschenden Methodik getragen war, die beide – keineswegs "ungeeigneten" (Rn. 4), sondern vom BGH für generell geeignet erachteten (BGH Urt. v. 22.2.2011 – VI ZR 353/09, juris Rn 8; BGH, Urt. v. 12.4.2011 – VI ZR 300/09 –, juris Rn 18, st. Rspr.) – Schätzgrundlagen zur Anwendung bringt und den Mittelwert aus beiden Resultaten für maßgeblich erachtet, so musste der Richter sich doch auch mit der Frage befassen, wie es um die Rechtsgleichheit in seinem Bezirk bestellt ist, wenn nicht nur im weiteren Landgerichtsbezirk Münster, sondern im gesamten Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm – wie übrigens auch in den Bezirken der Oberlandesgerichte Düsseldorf und Köln – sich eben dieses Verfahren durchgesetzt hat und die Praxis bestimmt. Wahrscheinlich hätte doch die Berufungskammer des Landgerichts Münster, wenn der Streitwert über 600,00 EUR gelegen hätte, mit der Sache kurzen Prozess gemacht. Es hätte das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und auf der Grundlage von Fracke geschätzt, ebenso wie es das OLG Hamm getan hätte, wenn erstinstanzlich ein Landgericht entschieden hätte. Durchsetzen konnte der Amtsrichter seine Meinung daher nur, weil § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO seine Entscheidung schützte.
Das richterliche Privileg, bei niedrigen Streitwerten, praktisch unanfechtbar entscheiden zu können, dient aber allein der Entlastung der Rechtspflege und legt dem Richter eine besondere Verantwortung auf. In diesen Fällen ist kein Raum zur Demonstration persönlicher Unabhängigkeit oder gar zur Rechthaberei. Wer als Amtsrichter einer herrschenden Meinung meint, nicht folgen zu können, sollte seine abweichende Meinung grundsätzlich nur in den Fällen zum Ausdruck, die einer Kontrolle durch die nächste Instanz zugänglich sind. Nur so lässt sich der besseren Einsicht Geltung verschaffen und eine u.U. gewünschte Änderung einer bestimmten Rechtsprechung erreichen. Einer Partei, die sich im Rahmen der Gesetze hält und ihren Anspruch schlüssig auf der Grundlage der obergerichtlichen Rechtsprechung begründet hat, die persönliche Ansicht aufzuzwingen und ihr den berechtigten Anspruch abzuerkennen, wenn sie sich der persönlichen Ansicht des Richters nicht beugt, dürfte von Sinn und Zweck des Spruchprivilegs nicht gedeckt sein.
Es ist unter diesem Gesichtspunkt bedauerlich, dass der Verfassungsgerichtshof keinen Anlass gefunden hat, die Entscheidung des Amtsgerichts zu kassieren. Dies sollte allerdings nicht zu dem Schluss verleiten, dass die Verfassungsrichter eine solche Vorgehensweise gebilligt hätten. Die Beschwerde ist als unzulässig verworfen worden. Der Kläger und Beschwerdeführer, der seine Beschwerde nur auf eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie seines Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz gestützt hatte, ist den Begründungsanforderungen an eine Verfassungsbeschwerde nicht gerecht geworden. Dies bedeutet nicht, dass die Ausgangsentscheidung verfassungsrecht...