VVG § 178 § 186; AUB § 1 Ziff. 2.4. a § 2 Ziff. 1.1

Leitsatz

Stellen Bedingungen einer Unfallversicherung in Fällen der Infektionskrankheit Borreliose für den Beginn der als Anspruchsvoraussetzung gestalteten Frist zur ärztlichen Feststellung von Invalidität auf ihren "Ausbruch" ab, so ist damit die Erkennbarkeit der Erkrankung durch erste Symptome zu verstehen. (Leitsatz der Schriftleitung)

LG Frankfurt, Urt. v. 14.4.2022 – 2-30 O 229/21

1 Sachverhalt

Der Kl. nimmt die Bekl. auf Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung in Anspruch.

Nach § 1 Ziffer 1.1 der Versicherungsbedingungen liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. § 1 Ziffer 2.4 a) lautet: "Der Ausbruch folgender Infektionskrankheiten gilt ebenfalls als Unfall: Infektionskrankheiten, die durch Insektenstiche oder sonstige von Tieren verursachte Hautverletzungen übertragen wurden (z.B. Borreliose, (…))." § 2 Ziffer 1.1 lautet:

"Voraussetzung für die Leistung ist, dass die versicherte Person durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beschränkt ist (Invalidität). Die Invalidität muss darüber hinaus a) innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sowie b) innerhalb von 3 Jahren nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und c) innerhalb von 3 Jahren nach dem Unfall von Ihnen bei uns geltend gemacht sein."

Bei einer Laboruntersuchung im Juli 2018 wegen des Verdachts auf Borreliose wurde ein Antikörperwert von 137,7 festgestellt.

In einem Arzt-Fragebogen vom 30.8.2020 gab Dr. A. an, den Kl. seit dem 31.8.2018 zu kennen. Als Beschwerde gab er eine chronisch persistierende Borreliose mit chron. systemischer Yersinien Co-Infektion im Zeitraum vom 31.8.2018 bis dato an. Er bestätigte eine Berufsunfähigkeit von 100 % und gab als Prognose an: "Eine Rückbildung der mittlerweile chronifizierten Störungen ist derzeit nicht zu erwarten."

Mit Schreiben vom 17.8.2020 bat die Bekl. den Kl. um Übersendung einer Schadensanzeige und um Übersendung des Laborbefundes, in dem die Borreliose erstmals festgestellt wurde. Mit einem weiteren Schreiben vom 29.12.2020 an die Prozessbevollmächtigte des Kl. bedankte sich die Bekl. für die Übersendung von Unterlagen und stellte fest, dass der Arzt den Eintritt unfallbedingter Dauerfolgen innerhalb der bedingungsgemäßen Frist bestätigt habe und eine Begutachtung zum jetzigen Zeitpunkt empfehle. Diese Empfehlung werde man nachkommen.

Nach der von der Bekl. veranlassten Begutachtung des Kl. zur Feststellung der Invalidität lehnte die Bekl. allerdings mit Schreiben vom 5.3.2021 Leistungen aus der Versicherung ab.

Der Kl. behauptet, bei ihm sei infolge einer Borreliose-Erkrankung eine Invalidität eingetreten. Er habe im Frühjahr des Jahres 2017 beim Duschen einen verkrusteten "Pickel" bemerkt. Er habe den vermeintlichen schwarzen Pickel abgekratzt, wobei die Stelle geblutet habe. Dem habe er jedoch keine weitere Bedeutung zugemessen. In zeitlicher Nähe zu dem Ereignis seien bei ihm im April 2017 Borreliosetypische Beschwerden aufgetreten wie Fieber, dröhnender Kopf, Hals- und Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit sowie ein Hörsturz. Im Mai 2017 habe er einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt aufgesucht. Er habe sich im zweiten Halbjahr 2017 weiter in Behandlung bei diversen Ärzten befunden, ohne dass die Ursache der Beschwerden habe geklärt werden können. Ein Bezug zur Borreliose sei von keinem der behandelnden Ärzte hergestellt worden. Eine Laboruntersuchung auf Borreliose sei erstmals im Juli 2018 veranlasst worden.

2 Aus den Gründen:

Der Kl. hat keine Ansprüche gegen die Bekl. aus der zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherung wegen einer Invalidität aufgrund einer Borreliose-Infektion. Dabei kann der zwischen den Parteien streitige Umstand, ob der Kl. an Borreliose erkrankt ist und ob dies zu einer Invalidität im Sinne der Versicherungsbedingungen geführt hat, dahinstehen. Selbst wenn dies zugunsten des Kl. unterstellt würde, hätte er gegen die Bekl. keine Ansprüche.

Das Unterliegen des Kl. beruht auf der Nichteinhaltung der in den AVB vorgesehenen Frist von 3 Jahre, innerhalb der von einem Arzt die Invalidität schriftlich festgestellt worden sein muss. Die Frage, ob die Frist der ärztlichen Feststellung eingehalten wurde, ist eine von Amts wegen zu berücksichtigende Anspruchsvoraussetzung. Bei ihrem Fehlen – spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung – ist die Klage abzuweisen.

Die Frist der ärztlichen Feststellung der Invalidität innerhalb von 3 Jahren ist nicht eingehalten worden. Nach dem klägerischen Vortrag ist eine ärztliche Feststellung der Invalidität frühestens am 8.6.2020 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist allerdings schon abgelaufen, da sie im April 2017 zu laufen begonnen hatte.

Maßgeblich für den Fristbeginn ist nach den Versicherungsbedingungen der Unfall. Als Unfall gilt vorliegend der mögliche Ausbruch der Infektionskrankheit Borreliose. Der Begrif...

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