VVG § 172 Abs. 2
Leitsatz
1. Berufsunfähigkeit liegt nicht vor, wenn Beschränkungen der Beweglichkeit oder Belastbarkeit einer Hand eines mit klassischen Bürotätigkeiten beschäftigten VN durch einfache Hilfsmittel (beispielsweise Einhandtastaturen) ausgeglichen werden können.
2. Von einem (fingierten) Anerkenntnis ist nur auszugehen, wenn ein tatsächliches Anerkenntnis nach den medizinischen Befunden objektiv geboten war. (Leitsätze der Schriftleitung)
LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 31.1.2023 – 8 O 5649/20
1 Sachverhalt
Zwischen dem Kl. – einem gelernten Elektroinstallateur – und der Bekl. besteht ein Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag. Die Versicherung begann zum … 2016 und läuft bis zum … 2044.
In den AVB heißt es in § 9 Abs. 4:
"Unsere Leistungen werden fällig, nachdem wir die Erhebungen abgeschlossen haben, die zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Leistungspflicht notwendig sind. Wenn Sie eine der genannten Pflichten nicht erfüllen, kann dies zur Folge haben, dass wir nicht feststellen können, ob oder in welchem Umfang wir leistungspflichtig sind. Eine Pflichtverletzung kann somit dazu führen, dass unsere Leistung nicht fällig wird."
In § 11 der Bedingungen ist ausgeführt: Nach Prüfung der uns eingereichten so wie der von uns beigezogenen Unterlagen erklären wir in Textform – z.B. in Papierform oder E-Mail –, ob und in welchem Umfang wir eine Leistungspflicht anerkennen. Diese Erklärung werden wir innerhalb von 2 Wochen nach Vorliegen aller entscheidungserheblicher Unterlagen (siehe § 9) abgeben. […]“
Der Kl. machte 2016 eine Weiterbildung am Berufsförderungswerk mit den Schwerpunkten EDV-Training, kaufmännische Grundlagen, mündliche und schriftliche Kommunikation. Vom … 2.2016 bis … 6.2016 war der Kl. im Rahmen eines betrieblichen Praktikums in der Serviceabteilung bei einem Energiemanagement-Unternehmen tätig.
Am 26.2.2017 beantragte der Kl. bei der Bekl. Leistungen aus dem genannten Versicherungsvertrag. Er trug dabei vor, dass er seit Oktober 2016 unter wiederkehrenden Schmerzen und seit Dezember 2016 unter langanhaltenden Schmerzen im rechten Handgelenk leide. Er sei deshalb seit spätestens 9.2.2017 nicht mehr in der Lage, seine berufliche Tätigkeit auszuüben.
Die Kl. gab ein erstes medizinisches Gutachten zum Gesundheitszustand des Kl. bei Prof. Dr. H. vom Universitätsklinikum E in Auftrag, welches dieser unter dem 1.7.2019 anfertigte. Im Weiteren wurde beim Kl. eine Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit durchgeführt. Auf Grundlage dieses Ergebnisses wurde dann ein ergänzendes medizinisches Gutachten bei Prof. Dr. H. in Auftrag gegeben. Dazu führte der SV zur Frage "Welche Zukunftsprognose stellt sich?" aus:
"… In Zusammenschau der vorliegenden Befunde und der EFLTestung sind die Kriterien für das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit weiterhin formal erfüllt, da der Versicherte infolge von Krankheit und Kräfteverfall seit mehr als 6 Monaten zu mindestens 50 % außerstand war, seinen zuletzt ausgeübten Beruf (Servicetechniker im Innendienst), so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben."
2 Aus den Gründen:
1. Der Klagepartei gelang es nicht, den Beweis zuführen, dass der Kl. in einem Zeitraum von mindestens sechs Monaten seit 6.2.2017 krankheitsbedingt den zuletzt ausgeübten Beruf als Servicetechniker zu mindestens 50 % nicht hat ausüben können.
Zwar bestätigte der gerichtlich bestellte SV Prof. Dr. K., dass der Kl. unter einer Tendovagintis stenosans de Quervain, einer TFCC-Läsion sowie an einem Ulna-Impaction-Syndrom des rechten Handgelenks leidet. Der Kl. hatte sich deswegen einer Spaltung des ersten Strecksehnenfaches in Kombination mit einer Arthroskopie und Rissumwandlung des TFCC im Januar 2014, sowie einer Ulna-Verkürzungsosteotomie rechts im Oktober 2014 unterzogen. Trotz dieser Behandlungen leidet der Kl. an Belastungsschmerzen mit einem Schmerzfokus über den ulnokarpalen Handgelenk sowie einer schmerzhaften Umwendbewegung, einer schmerzhaften Dorsalextension bzw. Dorsalstress und schließlich einem allgemeinen Kraftverlust in der rechten Hand, Ein sogenanntes Complex Regional Pain Syndrome (CRPS) konnte hingegen ausgeschlossen werden.
Unter Berücksichtigung der genannten Erkrankungen/Beschwerden kann beim Kl. eine zeitliche Limitierung bei klassischen Büro-/Verwaltungstätigkeiten – wie dem Erstellen von Angeboten, allgemeinen Aufträgen und Wartungsverträgen, Erarbeitung von Serviceberichten und Kundenneuanlagen, dem Telefondienst mit Headset und der Bildschirmarbeit – nicht angenommen werden. Eine Limitierung ist lediglich bei Ablagearbeiten vorhanden, die mit einem Heben von Gewichten über 5 kg verbunden sind bzw. eines kraftvollen Grobgriffs bedürfen sowie von Tätigkeiten, die mit Drehbewegungen im rechten Handgelenk verbunden sind, z.B. Schraubarbeiten oder handwerkliche Tätigkeiten mit ähnlich intensiver Beanspruchung der rechten Hand bzw. des rechten Handgelenks. Bei dem beruflichen Tätigkeitsbild, welches der Kl. selbst vortrug, führt die angesprochene Limitierung nicht dazu, ...