Die lange erwartete Grundsatzentscheidung des BGH zu der Frage, ob und in welchem Umfang der Geschädigte sich auch auf die Grundsätze des Werkstattrisikos berufen kann, wenn er eine Rechnung nicht bezahlt hat, stellt die Weichen für beide Seiten bei der Schadenregulierung mit recht klaren Vorgaben: Der BGH entscheidet sich hier für einen bemerkenswerten "Mittelweg", der allerdings für die Versicherungswirtschaft mit erheblichen Mehrbelastungen verbunden sein wird. Während bisher eine Vielzahl an Gerichten sich dafür ausgesprochen haben, dass bei einer unbezahlten Rechnung der Haftpflichtversicherer eine Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch gegenüber einer Werkstatt verfolgen kann, wenn der Geschädigte eine Zahlung an die Werkstatt verfolgt bzw. dann die Grundsätze der Dolo-Agit-Einrede eingreifen, schließt der BGH ein solches Vorgehen im Rahmen einer sehr dogmatisch geprägten Betrachtungsweise aus.
Dies mag zwar bei einer formal juristischen Betrachtung der "saubere" Weg sein, führt aber dazu, dass die Versichertengemeinschaft in dem Fall einer deutlich zu hohen Abrechnung der Werkstatt bei einem ansonsten unfallbedingten Schäden darauf angewiesen ist, sich einen Anspruch des Geschädigten gegenüber seiner Werkstatt auf eine Minderung des Werklohns wegen unsachgemäßer und nicht erforderlicher Arbeiten abtreten zu lassen, um sodann selber in den Regress zu gehen und u.U. einen gesonderten Prozess zu führen. Bei den betroffenen Einzelfällen wird dies allerdings meist unwirtschaftlich sein und das Ergebnis mutet kurios an: Die Versichertengemeinschaft zahlt – wenn die Einwendungen zutreffend sind – einen zu hohen Betrag an Reparaturkosten an den Reparaturbetrieb und muss dann diese Zahlung gleich wieder zurückfordern und notfalls einen Gerichtsprozess in diesem Einzelfall dazu führen. Ob darüber hinaus tatsächlich Raum für Sammelklagen verbleibt, wenn bestimmte Werkstätten oder Werkstattgruppen regelmäßig durch besonders hohe und unsachgemäße Abrechnungen auffallen, bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist die aktuelle Weichenstellung des BGH so, dass der Geschädigte lediglich seinen Zahlungsanspruch auf eine Zahlung an die Werkstatt "ausrichten oder umstellen" muss, damit in der Sache ihm gegenüber alle weiteren Einwendungen zur Schadenshöhe nicht eröffnet sind – es sei denn, ihn trifft ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden bzgl. der tätigen Werkstatt.
Neben dem Rückforderungsanspruch gegenüber der Werkstatt kann auch ein solcher Regressanspruch gegenüber dem Sachverständigen als Gegenstand einer Abtretung in Betracht kommen, wenn dieser eine objektiv unbrauchbare oder fehlerhafte Kalkulation durchgeführt hat, die bei der Reparatur umgesetzt worden ist.
Dogmatisch wird dies dadurch ermöglicht, dass auch ein zukünftiger Anspruch schon abgetreten werden kann, wenn er nur hinreichend bestimmt ist. Dementsprechend kann eine solche Abtretung auch schon erklärt werden, bevor der Versicherer zahlt und sich damit ein Freistellungsanspruch des Geschädigten in einen Zahlungsanspruch umwandelt.
Für den Geschädigten bedeutet dies dagegen einen weitreichenden Schutz, sodass er aus der entsprechenden Kommunikation und streitigen Auseinandersetzungen zwischen dem Haftpflichtversicherer einerseits und der eingeschalteten Werkstatt bzw. dem Gutachter, der die Grundlage für die durchgeführten Arbeiten der Werkstatt berechnet hat, herausgehalten wird. Zu beachten ist dabei aber auch, dass diese Grundsätze nicht eingreifen, wenn der Geschädigte einen sogenannten Freistellungsanspruch verfolgt, den er alternativ als Klageantrag stellen kann. Möchte er lediglich eine Freistellung von der Verbindlichkeit haben, welche ihm gegenüber seine Werkstatt wegen der durchgeführten Reparatur erhoben hat, sind wiederrum die werkvertraglichen Grundsätze maßgeblich. Sollte dem Geschädigten dann ein Minderungsanspruch wegen unsachgemäßer oder nicht erforderlichen Arbeiten gegenüber dem Autohaus zustehen kann ihm gegenüber dies eingewendet werden und die Grundsätze des Werkstattrisikos greifen diese aus Sicht des BGH ebenfalls nicht ein.
Entgegenhalten lassen muss sich der Geschädigte allerdings ein Auswahlverschulden bei der Beauftragung Dritter und damit auch der eingeschalteten Werkstatt. Regelmäßig wird die Wahl einer markengebundenen Fachwerkstatt ebenso wenig wie die Entscheidung zu beanstanden sein, es im Einzelfall auch bei einem Kostenvoranschlag zu belassen. Bei anderen Fachbetrieben ist aber immer im Einzelfall zu prüfen, ob diese tatsächlich bei einer gewählten günstigeren Instandsetzung über die erforderlichen Fachkenntnis verfügen. Auch kann im Einzelfall beim Geschädigten eine besondere Vorsicht geboten sein, wenn zusätzlich ein Sachverständiger eingeschaltet wird, der fachlich erkennbar nicht geeignet ist oder in einer auffällige Nähe zu einem vorgesehenen Käufer des Fahrzeuges steht.