Für die Praxis bedeuten die Entscheidungen des BGH vom 16.1.2024 und 12.3.2024 für Werkstätten und Sachverständige auf der einen Seite und für den Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers auf der anderen Seite einen Mehraufwand bei der Abwicklung des Schadens, denn der Schutz des Geschädigten steht im Korrelat zur Verpflichtung des Versicherers zur Abwehr von unberechtigten Ansprüchen nach §§ 100f VVG und den aufsichtsrechtlichen Anforderungen der BaFin an die Solvenz des Versicherers. Dabei ist auch zu beachten, dass die Werkstatt bzw. der Sachverständige nach §§ 241 Abs. 2 und 311 Abs. 2 BGB gehalten sein wird, den Auftraggeber über das Risiko aufzuklären, dass der Versicherer die Kosten nicht vollständig übernehmen wird, wenn die Arbeiten unwirtschaftlich oder zu überhöhten Preisen angeboten werden. Insbesondere kann dabei ein Fall des § 814 BGB zu beachten sein.
Weitere Probleme können sich auftun, wenn eine Werkstatt unter Hinweis auf ihr Unternehmerpfandrecht das Fahrzeug nach einer Reparatur nicht freigibt, weil der Versicherer die Rechnung nicht vollständig bezahlt hat. Solange eine entsprechende Abtretung nicht Zug um Zug mit der Zahlung verbunden wird, besteht zu einer vollständigen Auszahlung an den Reparaturbetrieb bei berechtigten Einwendungen der Sache für den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners auch keine Veranlassung. Auf der anderen Seite sieht sich der Geschädigte dann der Forderung der Werkstatt ausgesetzt, die sein Fahrzeug zudem nicht herausgibt und hat im eigenen Interesse eine Abtretung zukünftiger Regressansprüche so früh wie möglich vorzunehmen. Das Ganze wird aber in der Praxis deutlich verkompliziert, wenn der Geschädigte zuvor schon eine Abtretung seines Schadensersatzanspruches an die Werkstatt vorgenommen hat und gar nicht mehr Forderungsinhaber ist. Er kann dann auch keine Auszahlung Zug um Zug mehr einfordern oder einklagen – es sei denn, er wird hierzu im Wege der Prozessstandschaft ermächtigt, verfolgt dann aber wiederum ein fremdes Recht mit der Folge, dass im Zivilprozess alle Einwendungen aufzuklären sind und erhält sein Fahrzeug dann aber ggf. immer noch nicht zurück.
Auch stellt sich die Frage, wie der Versicherer vorzugehen hat, wenn ihm die Abtretung nicht vorgelegt wird oder stille Zessionen geschlossen werden. Nach den Vorgaben des BGH wäre in diesem Fall konsequent davon auszugehen, dass der Versicherer die nach seiner Auffassung unberechtigten Ansprüche zurückhalten kann und die Erforderlichkeit dieser Maßnahmen in einem Prozess geklärt werden müsste. Ungeklärt ist auch, wie zu verfahren ist, wenn dem Versicherer erst mit der Klage eine wirksame Abtretung vorgelegt wird.
Die Streitigkeiten zum Umfang der Reparaturmaßnahmen können auch Auswirkungen auf Mietwagenkosten bzw. Nutzungsausfall haben, wenn sich im Regressverfahren des Versicherers herausstellt, dass unwirtschaftliche Arbeiten oder überhöhte Preisen erhoben worden sind, die zu einer Verlängerung der Mietwagendauer bzw. des Nutzungsausfalls geführt haben. Es ist also mit einer weiteren Einwicklung in der Rechtsprechung zu verschiedenen Fallgruppen zu rechnen, die sich aufgrund der neuen "Weichenstellung" des BGH ergeben werden.
Autor: RA Falk H. Böhm, FA VerkehrsR und VersR, und RA Dr. Michael Nugel, FA VerkehrsR und VersR
zfs 10/2024, S. 543 - 554