BGB § 249 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
1. Macht ein Leasingnehmer nach einem Verkehrsunfall einen an dem Leasingfahrzeug entstandenen Sachschaden allein als fremden Schaden des Leasinggebers in gewillkürter Prozessstandschaft gegenüber dem Unfallgegner geltend, sind im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Leasinggebers maßgeblich.
2. Zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des bei der Abrechnung eines Totalschadens zu berücksichtigenden Restwertes des Unfallfahrzeugs.
BGH, Urt. v. 2.7.2024 – VI ZR 211/22
1 Sachverhalt
[1] Die Klägerin verlangt von dem beklagten Haftpflichtversicherer weiteren Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, bei dem ein von der Klägerin geleaster und zum Zeitpunkt des Unfalls im Eigentum der Leasinggeberin stehender Pkw einen Totalschaden erlitt. Die volle Haftung der Beklagten für den Unfallschaden steht dem Grunde nach außer Streit.
[2] Die Klägerin beauftragte einen Sachverständigen, der den Wiederbeschaffungswert des Unfallfahrzeugs und unter Berücksichtigung von drei Angeboten regionaler Ankäufer am 10.10.2019 einen Restwert von 13.800 EUR ermittelte. Die Klägerin gab dies der Beklagten zur Kenntnis. Spätestens am 23.10.2019 legte die Beklagte der Klägerin ein über eine Internet-Restwertbörse ermitteltes Restwertangebot vom 21.10.2019 über 22.999 EUR vor und rechnete den Fahrzeugschaden – unter Übernahme des von der Klägerin angegebenen Wiederbeschaffungswertes – auf dieser Basis ab. Die Klägerin lehnte das Angebot unter Hinweis auf eine bereits am 22.10.2019 zu dem in dem von ihr eingeholten Schadensgutachten ermittelten Restwert erfolgte Veräußerung des Unfallwagens ab. Mit ihrer Klage begehrt sie den Differenzbetrag zwischen dem von der Beklagten angesetzten Restwert und dem tatsächlich erzielten Verkaufserlös, also 9.199 EUR, nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
[3] Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob für das streitgegenständliche Fahrzeug auch bei Abruf von Angeboten überregionaler Ankäufer bzw. von Internet-Restwertbörsen kein höherer Restwert als 13.800 EUR zu erzielen gewesen sei, und die Klage sodann unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche in vollem Umfang weiter.
2 Aus den Gründen:
[4] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung unter anderem ausgeführt, der Klägerin stehe gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes zu, da ihr ein zurechenbarer Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot hinsichtlich der Veräußerung des Unfallfahrzeugs zur Last liege. In der Rechtsprechung sei zwar anerkannt, dass der Geschädigte dem Wirtschaftlichkeitsgebot regelmäßig Genüge leiste, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeuges zu einem Preis vornehme, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lasse, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt habe. Der Geschädigte sei grundsätzlich nicht verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Etwas anderes gelte jedoch dann, wenn es sich beim Geschädigten um ein Unternehmen handele, welches sich jedenfalls auch mit dem An- und Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen befasse, wie es bei einer Leasinggesellschaft der Fall sei. Dieser sei es im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes zuzumuten, selbst oder aber über die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit eingeschalteten Autohäuser Zugriff auf den Sondermarkt der Restwertkäufer im Internet zu nehmen, denn das Wirtschaftlichkeitsgebot gelte im besonderen Maße für wirtschaftlich tätige Unternehmen, die mit dem Automarkt vertraut seien und bei denen der Abruf von überregionalen oder Internet-Restwertbörsen zum geschäftlichen Alltag gehöre.
[5] Gemessen an diesen Grundsätzen habe die Klägerin zwar nicht gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB verstoßen, da sie selbst keine eigene Marktforschung habe betreiben müssen. Sie müsse sich jedoch den Verstoß der Leasinggeberin gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zurechnen lassen, weil diese über die regionalen Restwertangebote aus dem von der Klägerin eingeholten Privatsachverständigengutachten hinaus keine weiteren überregionalen Angebote eingeholt habe. Die im Lager des Leasingunternehmers stehende Klägerin, die Ansprüche der Leasinggeberin als Eigentümerin des Unfallfahrzeugs geltend mache, müsse sich sowohl deren Erkenntnismöglichkeiten als auch den daraus resultierenden Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zurechnen lassen. Denn der Umstand, dass die Leasinggeberin die Schadensregulierung in...