Einführung
Nachdem der Europäische Gerichtshof in seinen bisherigen Entscheidungen die Pflicht zur unbedingten gegenseitigen Anerkennung von Fahrerlaubnissen in den anderen Staaten der Europäischen Union, die in einem Staat der Union ausgestellt wurden, herausgestellt hat, wurde diese Anerkennungspflicht in den jüngsten Entscheidungen des Gerichtshofs etwas relativiert. Da die statuierten Ausnahmen von der Anerkennungspflicht für die Praxis sehr bedeutsam sind, sollen die wesentlichen Konstellationen dargestellt werden.
1. Umstände, die sich nach Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis ergeben
Der Europäische Gerichtshof hat schon immer betont, dass der Aufenthaltsstaat entsprechende Maßnahmen nach seinem nationalen Recht ergreifen darf, wenn sich nach Erteilung der Fahrerlaubnis Umstände ergeben, die nunmehr zur Fahrungeeignetheit oder zu Fahreignungszweifeln führen. Allerdings müssen die neu entstandenen Umstände von einigem Gewicht sein, um die Fahreignung in Zweifel ziehen zu können.
Das ist dann der Fall, wenn eine Auffälligkeit für sich allein genommen entsprechende Fahreignungszweifel oder die Fahrungeeignetheit nach sich zieht (z.B. Fahrt unter Wirkung von "harten" Drogen, also nicht Cannabis). Das gilt aber auch dann, wenn auf Grund mehrerer Vorfälle Zweifel an der Fahreignung folgen, wobei es ausreicht, dass nur ein Vorfall nach Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis verwirklicht wurde. Denn nach Erteilung der Fahrerlaubnis hat der Betroffene die Summe an Auffälligkeiten verwirklicht, die eine entsprechende "Schwelle" überschreiten und ein Vorgehen nach den nationalen Regelungen des Aufnahmestaates begründen. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Betroffene nach Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis zum wiederholten Mal im Sinn von § 13 Nr. 2 lit. b der Fahrerlaubnis-Verordnung mit Alkohol im Straßenverkehr auffällig geworden ist. Entsprechendes gilt für Maßnahmen nach dem Mehrfachtäter-Punktesystem (§ 4 Abs. 3 des Straßenverkehrsgesetzes/StVG), da es auf den Zeitpunkt des Erreichens einer bestimmten Summe von Punkten ankommt. Das ist aber auch für das Vorgehen wegen besonderer Auffälligkeit außerhalb des Punktesystems nach § 11 Abs. 3 Nr. 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zu konstatieren.
Auch im Fall der Vorlage eines negativen medizinisch-psychologischen Gutachtens, das nach Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis erstellt wurde, aber auf Grund von Umständen angeordnet wurde, die vor Erteilung der Fahrerlaubnis lagen, folgt nichts anderes. Denn der Umstand, der das Vorgehen der Fahrerlaubnisbehörde auslöst, ist nicht die dem Gutachten zugrunde liegende Auffälligkeit, sondern die – unabhängig von der Rechtmäßigkeit dessen Anforderung – aus dem Gutachten folgende Nichteignung.
2. Eintragung eines Wohnsitzes in einem anderen als dem Ausstellerstaat im Führerschein
a) Der Europäische Gerichtshof hat in seinen aktuellen Entscheidungen vom 28.6.2008 festgelegt, dass Führerscheine dann nicht anerkannt werden müssen, wenn sie unter offensichtlicher Verletzung des Wohnsitzprinzips erteilt worden sind. In Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG ("Zweite Führerschein-Richtlinie") und dem erst ab 19.1.2009 geltenden Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG ("Dritte Führerschein-Richtlinie"), ist festgelegt, dass ein Mitgliedstaat eine Fahrerlaubnis nur erteilen darf, wenn der Antragsteller seinen ordentlichen Wohnsitz mindestens 185 Tage im Ausstellerstaat hat. Speziell in der Tschechischen Republik, die zum 1. Mai 2004 der Europäischen Union beigetreten ist, wurde dieses Wohnsitzerfordernis erst mit Wirkung vom 1.7.2006 in nationales Recht umgesetzt. So ist zu erklären, dass in vielen Führerscheinen aus diesem Land in Feld 8 ein deutscher Wohnsitz eingetragen ist. Das zeigt, dass das Wohnsitzerfordernis bei der Ausstellung nicht beachtet wurde. Der Europäische Gerichtshof stellt fest, dass in diesen Fällen, in denen sich aus dem Führerscheindokument ergibt, dass der Inhaber bei dessen Ausstellung keinen ordentlichen Wohnsitz im Ausstellerstaat hatte, der F...