VV RVG Nr. 2300, 3309; RVG § 23

Leitsatz

1. Der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts bei außergerichtlicher Tätigkeit richtet sich auch dann nach Nr. 2300 VV RVG (und nicht nach Nr. 3309), wenn die Tätigkeit Verhandlungen über den Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen betrifft.

2. Für die Bemessung des der anwaltlichen Gebührenforderung zugrunde zu legenden Gegenstandswertes können insoweit die Grundsätze, die die Rspr. für die Wertbestimmung bei der einstweiligen Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen entwickelt hat, angewendet werden.

OLG Celle, Urt. v. 3.9.2008 – 3 U 70/08

Sachverhalt

Die Rechtsanwaltskanzlei W., für die in erster Linie ihr Sozius Rechtsanwalt H. tätig war, vertrat den Auftraggeber gegenüber der Sparkasse X. Diese hatte die dem Mandanten als langjährigen Kunden gewährten Kredite in Höhe von rund 1,72 Millionen EUR gekündigt. Die Anwälte sollten durch außergerichtliche Verhandlungen einen Zahlungsaufschub erreichen und die zwangsweise Verwertung seiner Immobilien durch die Sparkasse abwenden. Dementsprechend war der Sozius RA H. tätig. In dem mit der Sparkasse geführten Schriftwechsel machte der Rechtsanwalt u.a. geltend, die Sparkasse sei zur Kündigung des Kredites nicht berechtigt. Ferner nahm Rechtsanwalt H. in den Räumen der Sparkasse im Beisein des Auftraggebers an einem Gespräch mit Sparkassenmitarbeitern teil. Dabei wurde vereinbart, dass die Sparkasse bis zum Ende des Jahres 2006 auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem Auftraggeber in seine Immobilien verzichtet. Im Gegenzug sollte der Mandant bis zum Jahresende durch Verkauf von Immobilien einen Teilbetrag von 800.000 EUR erlösen und diesen Erlös zur Rückführung des Kredites verwenden. Darüber hinaus sollte der Auftraggeber statt der geschuldeten Abschlagszahlungen in Höhe von 8.000 EUR nunmehr 9.000 EUR je Monat zahlen. Nach Beendigung ihrer Tätigkeit stellte die Anwaltssozietät dem Mandanten folgende Gebühren und Auslagen in Rechnung:

 
1. 1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: bis 850.000 EUR) 5.259,80 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
3. 16 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 844,77 EUR
Summe: 6.124,57 EUR.

Da der Auftraggeber hierauf keine Zahlungen leistete, trat RA H. die Vergütungsforderung an einen anderen RA ab, der sie vor dem LG Hildesheim einklagte.

Das LG hat dem Kläger aus abgetretenem Recht lediglich einen Vergütungsbetrag in Höhe von 5.219,77 EUR zuerkannt, der sich aus einer 1,3 Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 644.000 EUR nebst Auslagen zusammensetzte. Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung machte der Beklagte geltend, RA H. hätte lediglich eine 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG abrechnen dürfen.

Die zulässige Berufung hatte nur teilweise Erfolg.

Aus den Gründen

“ Die Berufung des Beklagten ist zulässig, sie hat jedoch nur teilweise Erfolg. Soweit der Senat auf die Berufung des Beklagten in das angefochtene Urteil teilweise geändert und die Klage abgewiesen hat, beruht dies auf der Säumnis des Klägers. im Übrigen erfolgt die Zurückweisung des Rechtsmittels des Beklagten durch streitige Endentscheidung, § 539 Abs. 2 S. 2 ZPO.

1. Der vom Kläger aus abgetretenem Recht (Abtretungsurkunde Bl. 12 der Akten) geltend gemachte Gebührenanspruch des Rechtsanwalts H. richtet sich nach Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG. Danach erhält der Anwalt für die außergerichtliche Tätigkeit eine Geschäftsgebühr, die das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages abdeckt. Diese Geschäftsgebühr beläuft sich auf 0,5–2,5 der einfachen Gebühr, wobei eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden darf, wenn die Tätigkeit des Anwalts umfangreich oder schwierig war.

Soweit der Beklagte mit seiner Berufungsbegründung erneut unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus dem Jahr 2000 (24 U 56/99 vom 18. April 2000) die Auffassung vertritt, die Tätigkeit des Anwalts sei der des Anwalts in Vollstreckungssachen gleichwertig und nach Nr. 3309 nur mit einer Gebühr von 0,3 zu vergüten, überzeugt dies den Senat nicht. Schon der – allerdings noch unter der Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührensordnung – vom OLG Düsseldorf gewählte Ausgangspunkt, wonach die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts nicht besser als die des Prozessanwalts vergütet werden könne, trifft jedenfalls für das jetzt geltende Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht zu. Die Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf findet in der gesetzlichen Regelung keine Stütze. Im Gegenteil belegt der Bebührentatbestand der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, der einen Gebührenrahmen von bis zu 2,5 der einfachen Bebühr vorsieht, dass gerade die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts in besonderer Weise honoriert werden kann. Auch inhaltlich lässt sich aus dem Vergleich zwischen der Tätigkeit des Rechtsanwalts, der im Rahmen der Vollstreckung tätig wird, mit derjenigen, die der Anwalt im Zusammenhang mit einer außergerichtlichen Auseinandersetzung durch Verhandlungen führt, keine ...

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