StVG § 4 Abs. 5 § 29
Leitsatz
Bereits im Wortlaut des § 4 Abs. 5 StVG (" … wird sein Punktestand auf … reduziert", nämlich nach S. 1 auf 13, nach S. 2 auf 17 Punkte) kommt zum Ausdruck, dass mit dieser Bestimmung Fahrerlaubnisinhaber nicht lediglich im Hinblick auf die jeweils anstehende Maßnahme nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 oder 2 StVG vorübergehend besser gestellt werden sollen, sie vielmehr zu einer "echten", dauerhaft wirkenden Reduzierung des Punktestands führt (wie BayVGH, Beschl. v. 15.5.2008 – 11 CS 08.69; OVG NRW zfs 2006, 116; OVG Berlin-Brandenburg zfs 2007, 592; vgl. auch VG München zfs 2007, 57).
(Leitsatz der Schriftleitung)
Bayerischer VGH, Beschl. v. 18.6.2008 – 11 B 07.1813
Sachverhalt
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar wegen des Erreichens von 14 Punkten nach dem Punktsystem.
Auf Grund einer Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 5.1.2004 ging das Landratsamt München von folgenden mit insgesamt 11 Punkten zu bewertenden Verkehrszuwiderhandlungen des Klägers aus und verwarnte ihn deshalb mit Schreiben vom 19.1.2004 gem. § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StVG:
Tattag |
Vergehen /Maßnahmen |
Punkte |
Ahndung /Rechtskraft |
24.6.1999 |
Rotlichtverstoß |
3 |
Bußgeldbescheid / 21.8.1999 |
|
Teilnahme an einem (besonderen) Aufbauseminar vom 9. bis 21.12.2000 |
/ 3:4 |
|
27.10.2000 |
ungenügender Sicherheitsabstand |
3 |
Bußgeldbescheid / 19.1.2001 |
26.7.2002 |
Rotlichtverstoß |
3 |
Bußgeldbescheid / 29.8.2002 |
26.9.2003 |
Versuchte Nötigung in 2 Fällen |
5 |
Urteil bzw. Strafbefehl / 18.12.2003 |
Unter dem 19.2.2004 übersandte das Kraftfahrt-Bundesamt dem Landratsamt einen "berichtigten" Auszug aus dem Verkehrszentralregister, wonach die Tat vom 26.9.2003 (versuchte Nötigung in 2 Fällen) mit 10 Punkten zu bewerten sei und sich somit ein Punktestand von 13 Punkten ergebe.
Mit Schreiben vom 16.5.2006 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt dem Landratsamt mit, dass das Verkehrszentralregister nunmehr für den Kläger die folgenden, insgesamt mit 14 Punkten zu bewertenden Eintragungen enthalte:
Tattag |
Vergehen /Maßnahmen |
Punkte |
Ahndung /Rechtskraft |
26.7.2002 |
Rotlichtverstoß |
3 |
Bußgeldbescheid / 29.8.2002 |
26.9.2003 |
Versuchte Nötigung in 2 Fällen |
10 |
Urteil bzw. Strafbefehl / 18.12.2003 |
|
Verwarnung und Hinweis auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem Aufbauseminar vom 19.1.2004 |
|
|
22.2.2006 |
Verbotswidrige Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons |
1 |
Bußgeldbescheid / 30.3.2006 |
Nach Anhörung des Klägers ordnete das Landratsamt München mit Bescheid vom 21.6.2006, zugestellt am darauf folgenden Tag, unter Bezugnahme auf dessen wiederholte, mit 14 Punkten zu bewertende Verkehrszuwiderhandlungen dessen Teilnahme an einem Aufbauseminar sowie die Vorlage einer Bescheinigung hierüber bis spätestens 25.8.2006 an.
Der Kläger erhob Widerspruch, den die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2006, zugestellt am 22.12.2006, zurückwies. Dem Antrag des Klägers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs anzuordnen, hatte das VG München zuvor mit Beschl. v. 27.10.2006 – M 6a S 06.2974 [zfs 2007, 57] stattgegeben.
Am 19.1.2007 erhob der Kläger Klage zum VG München mit dem Antrag, den Bescheid des Landratsamts München vom 21.6.2006 sowie den Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 14.12.2006 aufzuheben. Mit Urt. v. 1.6.2007 [M 6a K 07.266] gab das VG der Klage statt.
Mit der vom VGH mit Beschl. v. 17.10.2007 zugelassenen Berufung beantragt der Beklagte, das Urteil des VG München vom 1.6.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen. …
Der Kläger beantragt mit Schriftsatz vom 26.11.2007, … , die Berufung zurückzuweisen.
Mit Schreiben vom 19.5.2008 hat der Senat die Beteiligten zur Möglichkeit einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gem. § 130a VwGO angehört und dabei auf den Beschluss des Senats vom 15.5.2008 – 11 CS 08.69 hingewiesen.
Aus den Gründen
“ II. [15] Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
[16] Diese Entscheidung kann gem. § 130a S. 1 VwGO durch Beschluss ergehen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung im Hinblick darauf, dass der Sachverhalt geklärt und die inmitten stehende Rechtsfrage eingehend schriftsätzlich erörtert worden ist, nicht für erforderlich erachtet. Die Beteiligten sind hierzu vorher gem. § 130a S. 2, § 125 Abs. 2 S. 3 VwGO gehört worden.
Das VG hat der Klage im Ergebnis zu Recht mit der Begründung stattgegeben, der Bescheid des Landratsamts München vom 21.6.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 14.12.2006 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StVG nicht vorlägen. Nach dieser Vorschrift hat die Fahrerlaubnisbehörde die Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen, wenn die Bewertung der im Verkehrszentralregister zu erfassenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Rahmen des Punktsystems 14, aber nicht mehr als 17 Punkte ergibt. Punkte, die auf getilgte Eintragungen im Verkehrszentralregister entfallen, müssen dabei außer Ansatz bleibe...