VV RVG Nr. 4142; StPO § 111b Abs. 5
Leitsatz
Tätigkeiten des Verteidigers, die sich gegen vermögenssichernde Maßnahmen im Rahmen einer Rückgewinnungshilfe wenden, lösen keinen Gebührenanspruch nach Nr. 4142 VV RVG aus.
KG, Beschl. v. 15.4.2008 – 1 Ws 309-310/07
Sachverhalt
Zum Zweck der Rückgewinnungshilfe nach § 111b Abs. 5 StPO hatte das AG zugunsten des Steuerfiskus den dinglichen Arrest angeordnet und in dessen Vollziehung Pfändungsmaßnahmen getroffen. Die Bezirksrevisorin hatte den Antrag gestellt, den Gegenstandswert für die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG festzusetzen. Das LG Berlin hat diesen Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Die hiergegen von den Verteidigern des teilweise freigesprochenen Angeklagten eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen
“ … Das LG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine gerichtliche Festsetzung des Gegenstandswerts nicht vorliegen, weil eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG nicht entstanden ist.
Soweit ein Angeklagter Vorteile aus der von ihm begangenen Steuerhinterziehung erlangt hat, ist der Steuerfiskus Verletzter i.S.d. § 73 Abs. 1 S. 2 StGB und der Verfall ausgeschlossen (vgl. BGH Beschl. v. 10.5.2007 – 5 StR 87/97 –, vom 5.5.2004 – 5 StR 139/03 – und vom 15.1.2003 – 5 StR 362/02 –; Fischer, StGB 55. Aufl., § 73 Rn 22).
Der sachliche Anwendungsbereich des Gebührentatbestands der Nr. 4142 VV RVG umfasst lediglich die Tätigkeit des Verteidigers, die sich auf die Einziehung, dieser in § 442 StPO gleichgestellten Rechtsfolgen (Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung, Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustands), der Abführung des Mehrerlöses oder eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme bezieht. Da das RVG die zu vergütenden Tätigkeiten enumerativ aufzählt, kommt eine entsprechende Anwendung nicht in Betracht. Dies ist auch sachgerecht, weil entscheidend für die Anwendung der Nr. 4142 VV RVG ist, ob es sich um eine Maßnahme handelt, die darauf gerichtet ist, dem Betroffenen den Gegenstand endgültig zu entziehen und dadurch einen endgültigen Vermögensverlust bewirken soll (vgl. OLG Köln RVGreport 2007, 273 = StraFo 2007, 131; LG Chemnitz, Beschl. v. 8.1.2008 – 310 Js 844/07 –). Nur eine auf diese Maßnahmen bezogene Tätigkeit des Verteidigers verdient eine gesonderte Honorierung. Strafgerichtliche Entscheidungen, welche der Rückgewinnungshilfe dienen, führen hingegen bei dem Beschuldigten noch nicht zu einem Vermögensverlust. Darüber ist vielmehr außerhalb des Strafverfahrens nach Maßgabe des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses und des dafür vorgesehenen Verfahrensrechts zu befinden. Deshalb bedarf es insoweit auch keiner Vergütung im Strafverfahren.“
Mitgeteilt von den Mitgliedern des 1. Strafsenats des KG
3 Anmerkung
Nach Nr. 4142 VV RVG erhält der Verteidiger die dort bestimmte zusätzliche Verfahrensgebühr für seine Tätigkeit bei Einziehung und verwandten Maßnahmen. Hierzu gehören – wie der Klammerzusatz in Abs. 1 der Anm. zu Nr. 4142 VV RVG deutlich macht – die in § 442 StPO genannten Maßnahmen und die sonstigen in der Gebührenvorschrift aufgeführten Fälle (s. hierzu Burhoff, RVGreport 2006, 413). Nicht erfasst ist hiervon die Anordnung eines strafprozessualen Arrestes nach § 111d StPO zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe, die dem Sicherstellungsbedürfnis des Geschädigten gegenüber dem Eigentumsrecht des Schädigers dient. Zwar gelten hierfür gem. § 111 Abs. 5 StPO die vorstehenden Absätze der Vorschrift entsprechend, die Maßnahmen der Einziehung und des Verfalls sichern sollen. Das KG hat zutreffend ausgeführt, dass in einem solchen Fall die Anordnung eines Arrestes nicht im Hinblick auf eine mögliche Einziehung erfolgt ist. Anders als in den Fällen der Einziehung und des Verfalls führt also das Strafverfahren nicht zu einer endgültigen Entscheidung über den Vermögensverlust. Vielmehr wird häufig erst ein anschließendes zivilrechtliches Verfahren eine Klärung herbeiführen.
Die im Hinblick auf die Rückgewinnungshilfe entfaltete Tätigkeit des Verteidigers wird somit durch die sonst angefallenen Gebühren abgegolten. Der Wahlverteidiger kann den entsprechenden Mehraufwand bei der Bestimmung der übrigen Gebühren erhöhend berücksichtigen oder mit dem Beschuldigten eine gesonderte Honorarvereinbarung schließen. Dies wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn von dem Arrest zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe große Vermögenswerte betroffen werden, was sich dann auch in einem höheren Haftungsrisiko des Verteidigers niederschlägt. Dem Pflichtverteidiger, der aus der Staatskasse feste Gebührenbeträge erhält, bleibt diese Möglichkeit verschlossen. Für beide kommt ggf. ein Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr (§§ 42, 51 RVG) in Betracht (so auch Burhoff, RVGreport 2006, 412, 413).
Heinz Hansens