BGB § 906 Abs. 2 S. 2
Leitsatz
Für einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch ist es ohne Belang, dass ein Feuer über ein anderes Grundstück auf das Grundstück des Geschädigten übergegriffen hat.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Koblenz, Urt. v. 28.8.2008 – 5 U 218/08
Sachverhalt
Die Klägerin ist Feuerversichererin der benachbarten Grundstücke G 4 b, G 4 a und H. 6. Das Grundstück G 6 grenzt unmittelbar an das Anwesen 4 b an. Die Grundstücke G 4 a und H. 6 grenzen dagegen nur an das Grundstück 4 b an. In der Nacht vom 22. auf den 23.10.2005 brach in der Scheune des Grundstücks G 6 ein Brand aus. Ausgehend von einem Defekt der Stromleitung kam es zu einem Brand, der sich über die hölzernen Tragbalken und den Dachaufbau zu einem Vollbrand im Dachbereich entwickelte. Von dort griff der Brand auf das Anwesen G 4 b über. Dieser breitete sich dann auf die Grundstücke G 4 a und H. 6 aus.
Die Haftpflichtversicherung des Beklagten weigert sich gegenüber dem Rückgriffsanspruch der Klägerin, die Schäden auszugleichen, die an den Gebäuden G 4 a und H. 6 entstanden sind und zwar mit der Begründung, die Schäden seien nicht unmittelbar durch die vom Grundstück des Versicherungsnehmers ausgehenden "Immissionen" entstanden, sondern durch den Übergriff des Feuers vom Grundstück G 4 b auf die Grundstücke G 4 a und H. 6.
Aus den Gründen
“ … Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Sie führt … zum Zuspruch der Klageforderung.
1. Der auf die Klägerin übergegangene Anspruch (§ 67 VVG) rechtfertigt sich aus einer analogen Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB.
a) Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist nach st Rspr. des BGH gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gem. §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGH NJW 2003, 2377; BGH NJW 2004, 3701).
Hiervon ist auszugehen, wenn ein Brand auf ein fremdes Grundstück übergreift, da der Nachbar die Gefahr in aller Regel – und so auch hier – nicht erkennen und die Einwirkungen auf sein Grundstück daher nicht rechtzeitig abwehren kann (BGH NJW 2008, 992).
b) Der Beklagte ist Störer auch im Verhältnis zu den Eigentümern der Grundstücke G 4 a und H 6. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch kann sich nur gegen einen Störer i.S.d. § 1004 Abs. 1 BGB richten. Handlungsstörer ist, wer die Beeinträchtigung durch seine Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung adäquat verursacht hat (BGH NJW 2007, 432). Zustandsstörer ist der Eigentümer, Besitzer oder Verfügungsbefugte einer Sache, von der eine Beeinträchtigung ausgeht, jedoch nicht alleine auf Grund dieser Rechtsstellung, sondern nur, wenn die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückgeht (BGH NJW 2005, 1366 mit umfangreichen Nachweisen aus der Rspr.).
Nach der Entscheidung des BGH vom 11.6.1999 (NJW 1999, 2896, “bestätigt’ durch BGH NJW 2008, 992) begründet der bloße Umstand des Eigentums an dem Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht, nicht die Störereigenschaft. Die Beeinträchtigung muss wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgehen.
Die Frage, ob der Eigentümer eines Grundstücks für hiervon ausgehende Beeinträchtigungen als Störer in Anspruch genommen werden kann, lässt sich nicht begrifflich klären, sondern kann nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall beantwortet werden. Im hier vorliegenden Fall des drohenden Brandübergriffs beruhte der Brand auf Umständen, auf die grundsätzlich der Beklagte, und nur dieser Einfluss nehmen konnte, wenn konkret auch kein Anlass für ein vorbeugendes Tätigwerden bestanden haben mag. Bricht auf Grund eines Defekts an elektrischen Leitungen auf einem Grundstück ein Brand aus, ist es Sache des Eigentümers, auch zur Verhinderung einer Ausweitung, für eine Eindämmung und Behebung zu sorgen. Greift der Brand über, kann der betroffene Nachbar Maßnahmen zur Abwehr, selbst unter Inkaufnahme der Beschädigung des Hauses, von dem der Brand ausgeht, treffen (§ 228 BGB).
Es ist daher gerechtfertigt, den Beklagten als Störer i.S. des § 1004 BGB anzusehen (BGH NJW 1999, 2896/2897; vgl. auch BGH NJW 1999, 2896: Rohrbruch; a.A. Staudinger/Roth, BGB, § 906 Rn 69: Grenze zur Gefährdungshaftung überschritten).
c) Es kann dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf die subjektiven Voraussetzungen auch der Eigentümer des in Brand geratenen Anwesens G 4 b als Störer i.S. des § 1004 BGB zu bewerten ist. Der Umstand, dass der Brand nicht “unmittelbar’ auf die Hausanwesen G 4 a sowie H 6 übergegriffen hat, sondern durch das benachbarte Anwesen G 4 b “vermittelt’ worden ist, ist rechtlich ohne Belang. Zum einen sind anspruchsberechtigt nicht nur die unmittelbaren Grundstücksnachbarn, da § 906 BGB als nicht genuin nachbarrechtliche Regelung keine Beschränkung auf das ...