OWiG § 33 § 51
Leitsatz
Zustellung des Bußgeldbescheides an mehrere namentlich bezeichnete Rechtsanwälte ("Rechtsanwälte B, H & M") unterbricht nicht die Verjährung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG, wenn sich lediglich einer dieser Rechtsanwälte zum Verteidiger bestellt hat.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Stadthagen, Beschl. v. 13.8.2008 – 11 OWi 507 Js 4839/08 (236/08)
Sachverhalt
Mit Bußgeldbescheid vom 18.4.2008 ist dem Betroffenen vorgeworfen worden, am 29.1.2008 eine Ordnungswidrigkeit gem. § 24 StVG begangen zu haben. Im Einzelnen wird er als Verantwortlicher wegen nicht ausreichender Sicherung der Ladung auf einem Lkw gem. §§ 22 I, 49 I Ziff. 21 StVO beschuldigt.
Das AG stellt das Verfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung ein.
Aus den Gründen
“ … Bezüglich dieser vorgeworfenen Verkehrsordnungswidrigkeit ist Verjährung eingetreten. Die letzte verjährungsunterbrechende Handlung war gem. § 33 Abs. 1 Ziff. 1 OWiG die Anhörung des Betroffenen durch den Landkreis Sch vom 27.2.2008. Der Bußgeldbescheid vom 18.4.2008 hat die Verjährung dagegen nicht unterbrochen, weil es dafür an der erforderlichen wirksamen Zustellung i.S.d. § 33 Abs. 1 Ziff. 9 OWiG fehlt. Laut Zustellungsurkunde ist der Bescheid an die “Rechtsanwälte B, H & M’ am 22.4.2008 zugestellt worden.
Zustellung ist die Bekanntgabe eines Schriftstückes an eine Person in einer gesetzlich bestimmten Form. Im Falle der Zustellung eines Bußgeldbescheides gilt § 51 OWiG i.V.m. dem Verwaltungszustellungsgesetz.
Zustellungsadressat ist grundsätzlich der Betroffene selbst, § 51 Abs. 2 OWiG.
Nach § 51 Abs. 3 OWiG kann auch an den Verteidiger zugestellt werden, dessen Vollmacht sich in den Akten befindet. Mit Schriftsatz vom 05.3.2008 hat sich Herr Rechtsanwalt B als Verteidiger bestellt. Mit Schriftsatz vom 06.3.2008 hat er eine Vollmacht vorgelegt. Diese Vollmacht benennt ohne Streichungen sämtliche Kollegen seiner Kanzlei. Damit umfasst sie auch die Bevollmächtigung des Rechtsanwalts B. Zugestellt werden konnte dennoch nur an Rechtsanwalt B als Verteidiger, nicht jedoch an die Kanzlei als solche. Nur dieser Rechtsanwalt hat sich zum Verteidiger bestellt und nicht sämtliche Kollegen der Kanzlei. Die Vollmachtsurkunde allein begründet noch nicht die Verteidigereigenschaft der darin bezeichneten Rechtsanwälte. Sie gibt nur Aufschluss darüber, wem der Betroffene die Übernahme der Verteidigung angetragen hat, enthält also eine einseitige Erklärung über die getroffene Verteidigerwahl. Zur Begründung der Verteidigerstellung ist weiterhin erforderlich, dass der gewählte Anwalt die Wahl zum Verteidiger auch annimmt, was üblicherweise darin zum Ausdruck kommt, dass der Anwalt sich im Verfahren entweder durch ausdrückliche Erklärung oder durch schlüssiges Verhalten zum Verteidiger des Betroffenen bestellt (vgl. LG Bielefeld zfs 2005, 314). Erst dadurch übernimmt er die ihm zugedachte Rolle des Verteidigers einschließlich der damit verbundenen Rechte und Pflichten. Im vorliegenden Verfahren hat nur Rechtsanwalt B durch ausdrückliche Selbstbezeichnung als Verteidiger die Wahl angenommen, so dass an ihn hätte zugestellt werden müssen (vgl. LG Bielefeld a.a.O., BVerfGE 43, 94).
Die Vorschrift des § 51 Abs. 3 OWiG begründet eine gesetzliche Zustellungsvollmacht – unabhängig vom Willen des Betroffenen. Hat der Betroffene einen Verteidiger, ist die Zustellung an einen sonstigen Bevollmächtigten ausgeschlossen.
Die fehlende Zustellung führt zwar nicht zur Unwirksamkeit des Bußgeldbescheides als solchen. Sie verhindert aber die Verlängerung der Verjährung von drei auf sechs Monate i.S.d. § 26 Abs. 3 2. Hs. StVG (vgl. BGHSt 45, 261).
Somit ist die Verfolgungsverjährung nach drei Monaten am 27.5.2008 eingetreten. Die nächste Unterbrechungshandlung, nämlich der Eingang der Akten beim AG gem. § 33 Abs. 1 Ziff. 10 OWiG, erfolgte erst am 01.7.2008 und damit zu spät.
Daher war das Verfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung gem. § 206 a StPO i.V.m. § 46 OWiG einzustellen (so auch z.B. für viele weitere Entscheidungen AG Homburg zfs 2006, 175; AG Jena zfs 2005, 313; AG Bayreuth zfs 2006, 174).
Die notwendigen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt, da die Einstellung lediglich wegen Verjährung erfolgt ist, jedoch nach dem Ergebnis der Ermittlungen ansonsten mit einer Verurteilung zu rechnen gewesen wäre (§ 467 Abs. 3 Ziff. 2 StPO i.V.m. § 46 OWiG).
Die Entscheidung erfolgt im Beschlussweg gem. § 72 OWiG, nachdem weder die Staatsanwaltschaft noch der Betroffene dieser Verfahrensweise widersprochen haben. … .“
Mitgeteilt von RA Gregor H. Burmann, Lippstadt