VVG § 28; AKB 2008 E.1.4., 3.2.
Leitsatz
Der Versicherungsnehmer ist durch die Schadensminderungspflicht gem. E.1.4 AKB 2008 nicht gehalten, sich auf ein Restwertangebot einzulassen, wenn sich der Anbieter in erheblicher Entfernung vom Wohnort befindet und nicht feststeht, dass sich diese Firma bereit findet, das Fahrzeug auf ihre Kosten abzuholen. Ferner obliegt es ihm nicht, bei der Verwertung höhere Risiken einzugehen, als dies seinem gewöhnlichen Geschäftsgebaren entspricht.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.8.2009 – 12 U 90/09
Sachverhalt
Die Klägerin macht wegen eines Unfalls vom 29.5.2008 Ansprüche aus einer Fahrzeugversicherung geltend. Der Versicherungsschein vom 6.3.2008 weist als Versicherungsbeginn den 10.12.2007 aus. Dem Vertrag liegen die AKB 2008 zu Grunde.
Am 9.4.2008 erlitt das Fahrzeug der Klägerin einen ersten Unfall. Am 2.5.2008 erstellte der Sachverständige Bi einen Schadenbericht, in dem er die Reparaturkosten mit netto 6.723,07 EUR angab. Die Beklagte bezahlte nach Abzug des vereinbarten Selbstbehaltes i.H.v. 500 EUR an den Beklagten 6.223,07 EUR. Am 8.5.2008 erlitt das Fahrzeug einen zweiten Unfall. Dabei fand erneut an der linken Fahrzeugseite ein Anstoß statt. Am 16.5.2008 erstellte der von der Klägerin beauftragte Sachverständige E ein Haftpflichtschadengutachten. Dort wurden die Reparaturkosten mit netto 8.842,16 EUR, der Wiederbeschaffungswert mit brutto 11.500 EUR und der Restwert mit brutto 1.900 EUR angegeben. Am 29.5.2008 erlitt das Fahrzeug einen dritten, den streitgegenständlichen Unfall, bei dem ein Anstoß gegen die vordere, rechte Fahrzeugecke stattfand. Am 6.6.2008 meldete die Klägerin den zweiten Unfall. Am selben Tag übersendete die Beklagte der Klägerin zum zweiten Unfall ein Restwertangebot über 7.050 EUR. Unter dem 18.6.2008 meldete die Klägerin den dritten Unfall. Am 10.8.2008 verkaufte die Klägerin ihr Fahrzeug für 1.000 EUR. Am 11.8.2008 erstellte der Sachverständige L im Auftrag der Beklagten ein Gutachten, in dem er drei Vorschäden feststellte. Dabei handelte es sich um die Schäden aus dem ersten und zweiten Unfall sowie einen Schaden am rechten Schweller, der eingedrückt war. Für den streitgegenständlichen, dritten Unfall führte er Reparaturkosten i.H.v. netto 9.413,77 EUR, einen Wiederbeschaffungswert von netto 5.294,12 EUR und einen Restwert von 4.200 EUR auf. Im Gutachten ist ein Restwertangebot der Firma R in Bochum enthalten. Auf dieser Grundlage zahlte die Beklagte an die Klägerin nach Verrechnung des vertraglichen Selbstbehalts i.H.v. 500 EUR einen Betrag von 594,11 EUR.
Die Parteien streiten um die von der Beklagten geltend gemachte Leistungsfreiheit, weil die Klägerin entgegen E.1.4 und E.3.2 AKB 2008 das Unfallfahrzeug ohne Einholung einer Weisung verwertet und nicht für die Minderung des Schadens Sorge getragen habe. Ferner ist die Höhe der Entschädigungsleistung im Streit.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung weiterer Versicherungsleistungen und auf Freistellung von einem Teil der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.
1. Gem. Art. 1 I EGVVG ist hier insgesamt das VVG in der neuen Fassung anzuwenden. Denn der Versicherungsvertrag, der infrage steht, wurde nach dem 1.1.2008 geschlossen. Entscheidend für das Zustandekommen eines Versicherungsvertrags ist, wann die zweite Willenserklärung für den Abschluss des Vertrags zugegangen ist. Das ist regelmäßig mit dem Zugang der Police der Fall (Schimikowski/Höra, Das neue VVG, 1. Aufl., S. 219). Die Annahme des Vertrags erfolgt nämlich meist durch den Versicherer (Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 3 Rn 22 m.w.N.). Nachdem das Ausfertigungsdatum der Police mit dem 6.3.2008 angegeben ist, ist davon auszugehen, dass der Vertrag nach dem 01.01.2008 geschlossen wurde. Das wird dadurch bestätigt, dass hier die Geltung der AKB 2008 vereinbart wurde, die ersichtlich auf die neue Fassung des VVG abgestimmt sind.
Soweit – worauf der im Versicherungsvertrag als Versicherungsbeginn angegebene Beginn des Versicherungsschutzes am 10.12.2007 hindeutet – zuvor vorläufiger Deckungsschutz gem. § 9 KfzPflVG, Ziff. B.2 AKB 2008 bestanden haben sollte, liegt insofern ein eigenständiger Vertrag vor (Prölss, a.a.O. § 1 VVG Rn 2 m.w.N.). Im Übrigen besteht in der hier maßgeblichen Fahrzeugversicherung (auch Vollkaskoversicherung genannt) gem. B.2.2 S. 1 AKB 2000 nur dann vorläufiger Schutz, wenn das bei Antragstellung vereinbart wurde. Dass dies hier der Fall gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Auch die Annahmefiktion des § 5 III 1 PflVG greift nicht ein, da sie nur für den Abschluss eines Haftpflichtversicherungsvertrags gilt, nicht aber für den einer Fahrzeugversicherung (Knappmann, in: Prölss/Martin, a.a.O. § 5 PflVG Rn 10).
2. Die Beklagte ist nicht gem. § 28 II 1 VVG n.F. wegen eines Verstoßes der Klägerin gegen ihre aus E.1.4 und E.3.2 AKB 2008 resultierende Obliegenheit leistungsfrei, nach Möglichkeit für die Minderung des Schadens zu sorgen und v...