Wohl kaum einmal zuvor hat sich ein Senat des BGH von der Rspr. anderer Senate dieses Gerichts mit so drastischen Worten distanziert, nämlich "im Hinblick auf die teilweise zu Recht als katastrophal bezeichneten Folgen" dieser abgelehnten Rechtsprechung. Hierbei hat der II. ZS des BGH zu Recht auch darauf hingewiesen, dass der VIII. ZS des BGH in seinem Beschl. v. 22.1.2008 zfs 2008, 288 m. Anm. Hansens = RVGreport 2008, 148 (Hansens) von der ständigen langjährigen Rspr. des BGH zur Anrechnung der Geschäftsgebühr abgewichen ist, ohne dies zu begründen oder die abweichende Auffassung auch nur zu erwähnen, s. hierzu auch LG Berlin zfs 2009, 527 m. Anm. Hansens.
Beim BGH sind noch – teilweise seit über einem Jahr – weitere Rechtsbeschwerdeverfahren anhängig, in denen es um die Berücksichtigung der Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren geht, so etwa in den Verfahren I ZB 98/08, IV ZB 3/08, VII ZB 55/09, IX ZB 82/08 und Xa ZB 2/09. Diese Senate werden nunmehr zu prüfen haben, ob sie sich der Auffassung des II. ZS des BGH zur Anwendbarkeit des § 15a Abs. 2 RVG anschließen. Vertritt ein Senat des BGH eine abweichende Auffassung, müsste er den Großen Senat für Zivilsachen des BGH anrufen.
Der II. ZS des BGH hat unter Berufung (auch) auf meine Ausführungen in AnwBl. 2009, 535, 540, RVGreport 2009, 241, 246, ferner zfs 2009, 428,430 entschieden, dass die Neuregelung des § 15a Abs. 2 RVG ab dem 5.8.2009 in Kostenfestsetzungsverfahren in allen Verfahren zu berücksichtigen ist, in denen zur Anrechnung der Geschäftsgebühr noch keine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist. Dies gilt insbesondere in noch anhängigen Erinnerungs- bzw. Beschwerdeverfahren und – wie dieser Fall zeigt – auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH. Folglich hat jede Partei die Möglichkeit, in noch nicht abgeschlossenen Festsetzungsverfahren die Neuregelung für sich in Anspruch zu nehmen. Vielfach haben erstattungsberechtigte Parteien im Hinblick auf die bisherige Rspr. des BGH in ihrem Kostenfestsetzungsantrag nur die um den Anrechnungsbetrag der Geschäftsgebühr verminderte Verfahrensgebühr geltend gemacht. Hier kann unter Hinweis auf die Neuregelung und die Entscheidung des II. ZS des BGH die Nachfestsetzung des Anrechnungsbetrages beantragt werden, wenn nicht einer der Ausnahmefälle des § 15a Abs. 2 RVG vorliegt, s. hierzu OLG Köln RVGreport 2009, 354 (Hansens).
Ist mit dem II. ZS des BGH von der Anwendbarkeit des § 15a RVG ab dem 5.8.2009 auszugehen, gilt dies folgerichtig auch für die Neufassung des § 55 Abs. 5 RVG. Folglich kann sich auch der PKH-Anwalt gegen die Absetzung des Anrechnungsbetrages mit der unbefristeten Erinnerung gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wenden, so OVG NRW = zfs 2009, 585 mit Anm. Hansens = RVGreport 2009, 382 (Hansens), siehe hierzu Hansens RVGreport 2009, 375 mit einem Muster für eine solche Erinnerung.
Heinz Hansens