Einführung
Der 48. Deutsche Verkehrsgerichtstag 2010 wirft seine Schatten voraus. Das Thema des Arbeitskreises IV wird der Haushaltsführungsschaden sein. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der jüngsten Rechtsprechung, insbesondere auch der höchstrichterlichen, ein interessantes Thema. Nachdem der Haushaltsführungsschaden in der Bezifferung durch die Geschädigtenvertreter über viele Jahre ein Schattendasein führte, ist er im Begriff, ins Rampenlicht zu treten. In diesem zeitlichen Zusammenhang fügt es sich gut, dass das Tabellenwerk von Schulz-Borck/Hofmann nunmehr unter Coautorenschaft von Pardey in der 7. Auflage 2009 mit dem neuen Titel "Der Haushaltsführungsschaden" aktuell vorliegt.
In diesem Beitrag soll eine Übersicht der Rechtsprechung der vergangenen zwei Jahre zum Haushaltsführungsschaden gegeben und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die außergerichtliche Regulierungspraxis herausgearbeitet werden.
I. Rechtsprechungsübersicht
1. Landgericht Köln, 15.4.2008 – 8 O 270/06 (DAR 2008, 388–390)
Bei einem Verkehrsunfall am 27.7.2005 erlitt der in einem Single-Haushalt lebende Kläger ein mittelschweres HWS-Syndrom, Prellungen an Brust und Wirbelsäule und Schürfwunden an den Beinen; alle Verletzungen waren nach 6 Wochen endgültig abgeklungen. Das Landgericht Köln wies die Klage im Hinblick auf den geltend gemachten Haushaltsführungsschaden deshalb zurück, weil der Klagevortrag unschlüssig war, da nicht vorgetragen war, welche Tätigkeiten vor dem Schadensereignis ausgeübt wurden und welche schadensbedingt nicht mehr ausgeübt werden.
Insoweit hat das Landgericht die Frage, ob bei nicht dauerhaften Beeinträchtigungen eines Single-Haushaltes überhaupt ein Haushaltsführungsschaden nach § 843 BGB fiktiv berechnet werden kann, offen gelassen. Diese Äußerung ist von der Überlegung getragen, dass in einem 1-Personen-Haushalt zeitlich disponible Arbeiten "nach hinten" verschoben werden können, soweit sie aufgrund einer vorübergehenden Beeinträchtigung nicht ausgeführt werden können. Beispielhaft werden das Rasenmähen und Fensterputzen aufgezählt.
Zeitlich disponible Arbeiten bei kurzfristiger Erkrankung alleine werden wohl kaum zur Begründung eines Haushaltsführungsschadens genügen. Andererseits können – und davon ist auch in einem Single-Haushalt bei unfallbedingter Verhinderung der Haushaltsführungsfähigkeit für eine Dauer von 6 Wochen auszugehen – Hausarbeiten nicht vollständig verschoben werden. Die Unfallverletzungen haben den Kläger mit Sicherheit daran gehindert, seine erforderlichen Einkäufe zu erledigen und sich warme Mahlzeiten zuzubereiten. Auch dürfte er Schwierigkeiten dabei gehabt haben, seine Wäsche zu waschen und alsdann schrankfertig aufzubereiten. Ein ausreichender Sachvortrag hätte hier sicherlich zu einem anderen Ergebnis geführt. Auch vorübergehende Beeinträchtigungen können zu fiktiver Abrechnung berechtigen, sofern ausreichender substantiierter Vortrag vorliegt.
2. Kammergericht Berlin, 5.6.2008 – 12 U 188/04 (DAR 2008, 520)
Der bei einem Verkehrsunfall am 24.10.1996 verletzte verheiratete Kläger lebt mit seiner Ehefrau in einem 120 qm großen Einfamilienhaus nebst 1.160 qm Garten. Beide Eheleute führen den Haushalt zu gleichen Teilen, wobei eine Wochenarbeitszeit von 22 Stunden angefallen sei (das entspricht den damals aktuellen Werten der Tabelle 8 Nr. 11 Schulz-Borck/Hofmann, Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Auflage). Dem Gericht lag ein Gutachten zur Höhe der haushaltsspezifischen MdE vor. Alsdann erfolgte eine Abrechnung fiktiv nach der Tabelle 3 a.F., Vergütungsgruppe BAT IX b/TVÖD E-Gr. 2.
Dieses ist im Ergebnis sachgerecht, da ein durchschnittlicher bis gehobener Haushalt ohne Kinder betroffen war. Das Kammergericht hat also die Ermittlung des Haushaltsführungsschadens vollständig mit Hilfe des Tabellenwerks von Schulz-Borck/Hofmann in der damals vorliegenden 6. Auflage durchgeführt. Insbesondere hat es sich an dem sachlich zutreffenden Nettostundenlohn für eine Wirtschaftsgehilfin nach der Tabelle 3 orientiert.
Die Kommentierung dieser Entscheidung von Lang, juris-PR-Verkehrsrecht 2/2009 überzeugt indes nicht. Insbesondere ist die Problematisierung des "Tabellenstreites" (Anwendung der Tabelle 1 oder der Tabelle 8) nicht sachgerecht. Das Kammergericht hat vollkommen zutreffend die Tabelle 8 angewendet. Die Tabelle 1 ist ausschließlich auf Tötungsfälle bezogen. Die Forderung, eine "Mischform" aus den Tabellen 8 und 1 zu bilden, überzeugt dogmatisch nicht. Entweder es liegt ein Tötungsfall vor oder es geht um die Ansprüche bei Verletzung. In der Schadensregulierung ist es ohne weiteres möglich, von der alten Tabelle 8 und den neuen Tabellen 8–13.3 abzuweichen. Dieses gilt unter Berücksichtigung der Tabelle 2 sowohl nach oben als auch nach unten. Letztlich ist der individuelle Haushalt sowie die Frage entscheidend, welche Arbeitsleistung individuell der Verletzte ohne den Unfall im Haushalt erbracht hat und mit Verletzung nicht mehr zu erbringen im Stande ist. Daraus ergibt sich dann die Arbeitszeit, die für die Fortsetzung der Haushaltsführung erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist auch nicht auf eine profess...