StVG § 4 Abs. 3 Nr. 2; VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
Leitsatz
Nach Teilnahme des Betroffenen an dem behördlich angeordneten Aufbaukurs besteht für eine Fortsetzungsfeststellungsklage das erforderliche besondere Feststellungsinteresse. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse folgt auch unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes.
(Leitsatz der Schriftleitung)
VG Göttingen, Urt. v. 19.8.2009 – 1 A 90/09
Sachverhalt
Der Kläger hat rechtzeitig Klage erhoben und einen einstweiligen Rechtsschutzantrag gestellt, der durch rechtskräftigen Beschl. v. 12.5.2009 (1 B 104/09) abgelehnt wurde. Nachdem der Kläger zwischenzeitlich an einem Aufbauseminar teilgenommen hat, hat er seine ursprünglich erhobene Anfechtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt. Er ist der Auffassung, dass eine Ordnungswidrigkeit nicht mehr zu berücksichtigen gewesen sei und die eingetragenen 15 Punkte nicht zugrunde zu legen wären. Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbaukurs durch Bescheid vom 4.3.2009 sowie der Gebührenbescheid vom 4.3.2009 rechtswidrig waren.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „"Die Klage … ist zwar zulässig, insbesondere liegt das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse vor, aber unbegründet."
Die Klage gegen die Verpflichtung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Die am 6.4.2009 erhobene zulässige Anfechtungsklage gegen die Sachanordnung hat sich durch die Teilnahme des Klägers an einem Aufbauseminar erledigt. Im Bescheid vom 4.3.2009 wurde von dem Kläger eine einmalige Teilnahme verlangt. Diese Anordnung hat sich mit dem Besuch des Seminars erschöpft, die Befolgung des Verwaltungsakts ist nicht mehr rückgängig zu machen. Auch sonst hat die Anordnung – mit Ausnahme der Kosten – für den Kläger keine fortdauernden Auswirkungen mehr (BayVGH vom 26.7.1995, BayVBl 1995, 758; vom 15.3.1999, BayVBl 2000, 149).
Ein besonderes Interesse des Klägers, die Rechtmäßigkeit der ihm gegenüber getroffenen Anordnung zum Besuch eines Aufbauseminars zu überprüfen, liegt vor. Es ist darin begründet, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse daran hat, ob ihm bei einem weiteren Verkehrsverstoß, der zu einem Punktestand von 18 oder mehr Punkten führt, die Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 StVG sofort zu entziehen oder sein Punktestand gem. § 4 Abs. 5 Satz 2 StVG auf 17 zu reduzieren ist. Ist die Anordnung zu Recht erfolgt, hat die Behörde bei weiteren Auffälligkeiten des Klägers die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen, wenn sei Punktestand 18 oder mehr Punkte erreicht. Wird dagegen festgestellt, dass die Anordnung rechtswidrig war, so wird der Kläger bei weiteren Verkehrsverstößen, die zu 18 oder mehr Punkten führen, so behandelt als ob er noch nicht an einem Aufbaukurs teilgenommen hat. Es gilt dann § 4 Abs. 5 Satz 2 StVG mit der Folge, dass seine Punkte auf 17 zu reduzieren sind und er erneut an einem Aufbaukurs teilnehmen kann bzw. muss. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse folgt auch unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes. Bei erneuter Auffälligkeit wird die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen bestandskräftigen Anordnung nicht überprüft. Eine Prüfung, ob der Bescheidserlass zu Recht erfolgt ist, kann nach Seminarteilnahme nur noch über eine Fortsetzungsfeststellungsklage erfolgen.
Die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbaukurs war allerdings rechtmäßig. … “
3 Anmerkung
Der Entscheidung ist zuzustimmen.
Beim Kraftfahrt-Bundesamt werden für den betroffenen Kraftfahrer keine verbindlichen Punktekonten in dem Sinne geführt, dass er im Wege der Leistungsklage Änderungen des Punktestandes verlangen könnte. Auch Feststellungsklagen auf verbindliche Feststellung des Punktestandes sind grundsätzlich ausgeschlossen (VGH Bad.-Württ. zfs 2007, 414 und zfs 2007, 418; vgl. auch Gebhardt, Verteidigung in Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, 6. Aufl. 2009 § 11 Rn 115). Dabei wird die Feststellungsklage auf verbindliche Feststellung des Punktestandes gerade mit Blick auf die Möglichkeit des nachträglichen Rechtsschutzes gegen die Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 4 Abs. 1 S. 1 – wegen fehlenden Feststellungsinteresses – abgelehnt (VGH Bad.-Württ. zfs 2007, 414 und zfs 2007, 418; vgl. insgesamt auch Ziegert, zfs 2007, 602). Dieser nachträgliche Rechtsschutz, auf den verwiesen wird, muss dann aber auch möglich sein (Art. 19 Abs. 4 GG). Hierzu diese Entscheidung. Wurde – wie hier geschehen – zunächst Rechtsschutz gegen die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar begeht, dann verlangt der effektive Rechtsschutz nach dennoch erfolgter Teilnahme am Aufbauseminar den Erhalt dieses nachträglichen Rechtsschutzes. Die Anfechtungsklage gegen die Teilnahmeanordnung hat sich durch die Teilnahme des Klägers an einem Aufbauseminar erledigt. Nicht erledigt hat sich allerdings die Frage der Höhe des Punktestandes. Letzteres hat vor allem deshalb zu gelten, weil die Höhe des Punktestandes im konkreten Fall für den (weiteren) Verlauf des Maßnahmensystems des § 4 Abs. 3...