ZPO § 114
Ein Versicherungsnehmer, der sich im Verkehrsunfallprozess gegen den von seinem mitverklagten Haftpflichtversicherer gegen ihn erhobenen Vorwurf eines versuchten Versicherungsbetrugs verteidigen will, handelt nicht mutwillig i.S.v. § 114 S. 1 ZPO, wenn er Prozesskostenhilfe für die Vertretung durch einen eigenen Anwalt begehrt, obwohl ihm der Haftpflichtversicherer als Streithelfer beigetreten ist und dessen Prozessbevollmächtigter auf diesem Wege auch für ihn Klageabweisung beantragt hat.
BGH, Beschl. v. 6.7.2010 – VI ZB 31/08
Aus den Gründen:
[1] “I. Der Kläger hat die Beklagte zu 2) als Fahrerin und die Beklagte zu 1) als Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz wegen eines behaupteten Verkehrsunfalls am 23.11.2006 in Anspruch genommen. Die Beklagte zu 1) hat der Beklagten zu 2) und dem Kläger Unfallmanipulation vorgeworfen. Der Rechtsanwalt der Beklagten zu 1) hat sich vor dem LG nicht für die Beklagte zu 2) bestellt, vielmehr ist die Beklagte zu 1) der Beklagten zu 2) als Streithelferin beigetreten und ihr Prozessbevollmächtigter hat auf diesem Wege auch für diese Klageabweisung beantragt. Mit Schriftsatz vom 20.11.2007 hat die Beklagte zu 2) Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines eigenen Rechtsanwalts gestellt und gegen die Inanspruchnahme durch den Kläger – anders als die Beklagte zu 1) – eingewandt, dass das Unfallereignis zwar nicht manipuliert, die im Prozess geltend gemachten Schäden jedoch durch den Unfall nicht verursacht worden seien.
[2] Das LG hat die Klage mit Urt. v. 10.12.2007 mit der Begründung abgewiesen, eine Vielzahl von Beweisanzeichen begründeten eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine Unfallmanipulation; außerdem stehe fest, dass der Pkw des Klägers erheblich vorbeschädigt gewesen sei. Zugleich hat es der Beklagten zu 2) die Bewilligung der nachgesuchten Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit verweigert.
[3] Das Kammergericht hat die gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe erhobene sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2) durch den angefochtenen Beschluss (veröffentlicht in NZV 2008, 519) zurückgewiesen. Es hat das Verlangen der Beklagten zu 2) nach Beiordnung eines eigenen Prozessbevollmächtigten im Wege der Prozesskostenhilfe ebenfalls als mutwillig i.S.d. § 114 S. 1 ZPO erachtet, da angesichts der streitgenössischen Nebenintervention durch die anwaltlich vertretene Beklagte zu 1) dem Interesse der Beklagten zu 2) an ihrer Rechtsverteidigung hinreichend Genüge getan sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der die Beklagte zu 2) ihre Anträge weiterverfolgt.
[4] II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 ZPO zugelassen hat. Im Rahmen der Zulassung der Rechtsbeschwerde in Prozesskostenhilfesachen können lediglich Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung beantwortet werden (vgl. Senatsbeschluss vom 13.12.2005 – VI ZB 76/04 – VersR 2006, 718; BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZB 118/07 – juris, Rn 2; vom 9.2.2005 – XII ZB 246/04 – NJW-RR 2005, 1018 und vom 20.1.2005 – V ZB 37/04 – ZOV 2005, 210).
[5] 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Vorinstanzen haben der Beklagten zu 2) rechtsfehlerhaft die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen die Klage unter Beiordnung eines eigenen Rechtsanwalts verweigert. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts war der entsprechende Antrag der Beklagten zu 2) nicht mutwillig.
[6] a) Das Beschwerdegericht geht zutreffend davon aus, dass Mutwilligkeit i.S.d. § 114 S. 1 ZPO voraussetzt, dass eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (vgl. etwa Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 114 Rn 30; Musielak/Fischer, ZPO, 7. Aufl., § 114 Rn 30).
[7] b) Das Beschwerdegericht meint, diese Voraussetzungen lägen vor, weil durch die Nebenintervention der Beklagten zu 1) die Beklagte zu 2) nicht nur davor geschützt sei, dass ein Versäumnisurteil gegen sie ergehen könne, sondern infolge der materiell-rechtlichen Anknüpfung der Haftung des Versicherers an diejenige des Fahrzeughalters als Versicherungsnehmer der Versicherer ein Interesse daran habe, alle Ansprüche wegen behaupteter Schadensereignisse durch ein bei ihm versichertes Kraftfahrzeug in gleicher Weise abzuwehren wie der Fahrzeughalter oder der Fahrer. Eine verständige Partei würde im wirtschaftlichen Interesse daher davon absehen, ungeachtet des über den Versicherer bestehenden Rechtsschutzes kostenpflichtig einen weiteren Anwalt zu mandatieren (vgl. in diesem Sinne auch OLG Frankfurt VersR 2005, 1550, 1551; OLG Hamm VersR 2009, 947; 2006, 717, 718; OLG Brandenburg VersR 2010, 274, 275 m. Anm. Jahnke, juris PR-Verkehrsrecht 4/2010 Anm. 3).
[8] c) Die Gegenmeinung in der obergerichtlichen Rspr. verneint in entsprechenden Fällen die Mutwilligkeit eines Prozesskostenhilfegesuchs zum ...