RVG § 15a; VV RVG Nr. 2300, 3100
Allein durch die in einem Prozessvergleich enthaltene allgemeine Abgeltungsklausel, wonach mit Zahlung des Vergleichsbetrages alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien ausgeglichen sind, wird die im zugrunde liegenden Rechtsstreit als Nebenforderung geltend gemachte vorgerichtliche Geschäftsgebühr nicht i.S.v. § 15a Abs. 2 RVG tituliert.
OLG Köln, Beschl. v. 9.6.2010 – 17 W 86/10
Die Kläger hatten vor dem LG Köln neben der Hauptforderung als materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch für die vorgerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagen eingeklagt. Der Rechtsstreit endete mit einem durch gerichtlichen Beschluss bestätigten Vergleich. In Ziffer 1 dieses Vergleichs haben die Parteien eine Abgeltungsklausel vereinbart, nach der mit Zahlung des Vergleichsbetrages, der geringer war als die eingeklagte Hauptforderung, sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien ausgeglichen sind.
Der Rechtspfleger des LG Köln hat im Kostenfestsetzungsverfahren auf Seiten der Kläger die Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr angerechnet. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Kläger hatte Erfolg.
Aus den Gründen
Die gem. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Kläger, mit welcher diese sich dagegen wenden, dass die im Kostenfestsetzungsantrag vom 1.2.2010 in Ansatz gebrachte 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG durch Anrechnung der unstreitig entstandenen, anteiligen Geschäftsgebühr um 0,65 gekürzt worden ist, ist begründet.
Allerdings ist der Rechtspfleger im Ausgangspunkt zu Recht davon ausgegangen, dass die Vorschrift des § 15a Abs. 2 RVG auf alle am 5.8.2009 noch nicht abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ff. ZPO anwendbar ist. Der Senat hält insoweit an seiner bereits im Beschl. v. 14.9.2009, RVGreport 2009, 388 (Hansens) = AGS 2009, 512 = JurBüro 2009, 640 und seitdem in ständiger Rspr. vertretenen Auffassung fest, welche von verschiedenen Senaten des Bundesgerichtshofs geteilt wird (vgl. BGH NJW 2009, 3101 = RVGreport 2009, 387 (Hansens) = zfs 2009, 646 m. Anm. Hansens; BGH RVGreport 2010, 110; BGH RVGreport 2010,190 sowie BGH RVGreport 2010, 265).
Indes liegen die Voraussetzungen für eine Anrechnung gem. § 15a Abs. 2 RVG im Streitfall nicht vor.
Das Anrechnungsgebot erstreckt sich grundsätzlich nur auf das Vergütungsverhältnis zwischen Anwalt und Mandant, während sich ein Dritter nach den in § 15a Abs. 2 RVG aufgeführten Regelungsalternativen nur dann auf die Anrechnung berufen kann, wenn er in eigener Person als Schuldner/Erstattungspflichtiger sowohl für die Geschäftsgebühr als auch für die Verfahrensgebühr zu betrachten ist, also soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitelbesteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann vorliegend nicht festgestellt werden, insbesondere lässt sich dem durch Beschl. v. 25.1.2010 festgestellten Vergleich nicht entnehmen, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang die außergerichtlich angefallene und im zugrunde liegenden Verfahren als Nebenforderung geltend gemachte Geschäftsgebühr tituliert worden ist. Dies gilt auch in Ansehung der in Ziffer 1. des Vergleichs enthaltenen Abgeltungsklausel, wonach mit Zahlung des Vergleichsbetrags sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien ausgeglichen sind. Daraus folgt nämlich lediglich, dass die Geschäftsgebühr durch den Vergleich mit erledigt worden ist und daher im Verhältnis der Prozessparteien nicht mehr geltend gemacht werden kann, nicht jedoch, dass – bzw. in welchem Umfang – sie bei der Festlegung des Vergleichsbetrags berücksichtigt worden und in diesem – jedenfalls teilweise – enthalten ist (so auch OLG Stuttgart AGS 2010, 212, 213; OLG Karlsruhe RVGreport 2010, 227 (Hansens) = AGS 2010, 209, 210; a.A. OLG Saarbrücken RVGreport 2010, 229 (Ders.) = AGS 2010, 60 ff.).
Angesichts des Umstandes, dass der im Vergleichswege titulierte Betrag von 5.000 EUR geringer ist als die klageweise geltend gemachte Hauptforderung, ist nämlich – neben anderen Alternativen – auch denkbar, dass die Kläger vergleichsweise auf die Geschäftsgebühr verzichtet haben, was einer Titulierung der Geschäftsgebühr gerade nicht gleichsteht (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.). Der Senat ist daher mit anderen Obergerichten der Auffassung, dass eine vergleichsweise Titulierung der Geschäftsgebühr im Regelfall nur angenommen werden kann, wenn der Vergleich eine ausdrückliche Regelung enthält, der sich entnehmen lässt, in welcher Höhe die Geschäftsgebühr im Vergleichswege tituliert worden ist bzw. in welcher Höhe diese als erfüllt anzusehen ist (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Sachsen-Anhalt RVGreport 2010, 307 (Hansens) = AGS 2010, 211, 212). Denn nur in diesem Fall kann auch die hälftige Anrechnung auf die V...