ZPO § 114
Ein Versicherungsnehmer, der sich im Verkehrsunfallprozess gegen den von seinem mitverklagten Haftpflichtversicherer gegen ihn erhobenen Vorwurf eines versuchten Versicherungsbetrugs verteidigen will, handelt nicht mutwillig i.S.v. § 114 Satz 1 ZPO, wenn er Prozesskostenhilfe für die Vertretung durch einen eigenen Anwalt begehrt, obwohl ihm der Haftpflichtversicherer als Streithelfer beigetreten ist und dessen Prozessbevollmächtigter auf diesem Wege auch für ihn Klageabweisung beantragt hat.
BGH, Beschl. v. 6.7.2010 – VI ZB 31/08
Der Kläger hatte die Beklagte zu 2 als Fahrerin und die Beklagte zu 1 als Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz wegen eines behaupteten Verkehrsunfalls vor dem LG Berlin in Anspruch genommen. Die Beklagte zu 1 hatte der Beklagten zu 2 und dem Kläger Unfallmanipulation vorgeworfen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1 hat sich vor dem LG nicht auch für die Beklagte zu 2 bestellt. Vielmehr ist die beklagte Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 2 als Streithelferin beigetreten. Ihr Prozessbevollmächtigter hat auf diesem Weg auch für die Beklagte zu 2 Abweisung der Klage beantragt.
Die Beklagte zu 2 hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines eigenen Rechtsanwalts beantragt. Gegen die Inanspruchnahme durch den Kläger hat die Beklagte zu 2 eingewandt, das Unfallereignis sei nicht manipuliert, die vom Kläger im Rechtstreit geltend gemachten Schäden seien jedoch durch den Unfall nicht verursacht worden. Das LG Berlin hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine Vielzahl von Beweisanzeichen begründeten eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine Unfallmanipulation. Außerdem sei der Pkw des Klägers erheblich vorgeschädigt gewesen. Den Antrag der Beklagten zu 2 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das LG wegen Mutwilligkeit zurückgewiesen.
Das KG hat die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2 durch den in zfs 2008, 527 mit Anm. Hansens = RVGreport 2008, 317 (Hansens) = NZV 2008, 519 veröffentlichten Beschluss zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 2 hatte Erfolg und führte zur antragsgemäßen Bewilligung der Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines eigenen Rechtsanwalts.
Aus den Gründen
[4] 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 ZPO zugelassen hat. Im Rahmen der Zulassung der Rechtsbeschwerde in Prozesskostenhilfesachen können lediglich Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung beantwortet werden.
[5] 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Vorinstanzen haben der Beklagten zu 2 rechtsfehlerhaft die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen die Klage unter Beiordnung eines eigenen Rechtsanwalts verweigert. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts war der entsprechende Antrag der Beklagten zu 2 nicht mutwillig.
[6] a) Das Beschwerdegericht geht zutreffend davon aus, dass Mutwilligkeit i.S.d. § 114 Satz 1 ZPO voraussetzt, dass eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (vgl. etwa Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 114 Rn 30; Musielak/Fischer, ZPO, 7. Aufl., § 114 Rn 30).
[7] b) Das Beschwerdegericht meint, diese Voraussetzungen lägen vor, weil durch die Nebenintervention der Beklagten zu 1 die Beklagte zu 2 nicht nur davor geschützt sei, dass ein Versäumnisurteil gegen sie ergehen könne, sondern infolge der materiell-rechtlichen Anknüpfung der Haftung des Versicherers an diejenige des Fahrzeughalters als Versicherungsnehmer der Versicherer ein Interesse daran habe, alle Ansprüche wegen behaupteter Schadensereignisse durch ein bei ihm versichertes Kraftfahrzeug in gleicher Weise abzuwehren wie der Fahrzeughalter oder der Fahrer. Eine verständige Partei würde im wirtschaftlichen Interesse daher davon absehen, ungeachtet des über den Versicherer bestehenden Rechtsschutzes kostenpflichtig einen weiteren Anwalt zu mandatieren (vgl. in diesem Sinne auch OLG Frankfurt VersR 2005, 1550, 1551; OLG Hamm VersR 2009, 947; 2006, 717, 718; OLG Brandenburg VersR 2010, 274, 275 m. Anm. Jahnke, juris PR-Verkehrsrecht 4/2010 Anm. 3).
[8] c) Die Gegenmeinung in der obergerichtlichen Rspr. verneint in entsprechenden Fällen die Mutwilligkeit eines Prozesskostenhilfegesuchs zum Zweck der Beiordnung eines eigenen Rechtsanwalts. Der Grund sei darin zu sehen, dass die Art der Rechtsverteidigung, insbesondere die Frage, ob der Antragsteller sich gegebenenfalls einer Parteivernehmung zu dem Vorwurf der Begehung einer Straftat stellen müsse, von so erheblicher Bedeutung sei, dass ihm eine auf seine Person zugeschnittene anwaltliche Beratung nicht vorenthalten werden dürfe (OLG Düsseldorf Verkehrsrecht aktuell 2009, 165 m. Anm. Elsner, juris PR-Verkehrsrecht 7/2010 Anm. 4; OLG Köln VersR 1997, 597, 598).
[9] d) Der erkennende Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Der...