BB-UZV § 4; VVG § 182; AUB 2008 Nr. 3
Leitsatz
1. Das Beweismaß für die Mitwirkung einer Vorerkrankung ist § 287 ZPO zu entnehmen.
2. Ist anzunehmen, dass ein 10 Tage nach einer Stromeinwirkung verstorbener VN den Unfall ohne Vorschädigung des Herzens mit hoher Wahrscheinlichkeit überlebt hätte, und ist anzunehmen, dass allein die Vorschädigung des Herzens ohne die Stromeinwirkung 10 Tage nach dem Unfall höchstwahrscheinlich nicht zum Tod geführt hätte, ist der Mitwirkungsanteil mit 50 % zu bemessen.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.3.2011 – 5 U 464/08
Sachverhalt
Die Kl. verlangt von der Bekl. Leistung aus einer Unfallzusatzversicherung.
Am 6.2.2004 verstarb der VN. In einem pathologischen Gutachten wurde als Todesursache ein protrahiertes Herz-Kreislaufversagen bei Coronarinsuffizienz angegeben. Außerdem wurden eine Coronararteriensklerose aller drei Äste und frische subendocardiale Myocardinfarkte der Hinterwand und Seitenwand beschrieben. Bezüglich einer möglichen Einwirkung eines Stromschlages wurden keine Aussagen getroffen. Am 2.11.2004 lehnte die Bekl. eine Leistung aus der Unfallzusatzversicherung ab. Die Kl. hat behauptet, ihr Ehemann habe am 26.1.2004 einen Stromunfall erlitten. Beim Abklemmen und Herausziehen einer Steuerleitung im Auftrag der Fa. S habe er einen Kurzschluss ausgelöst.
In unmittelbarem Anschluss an diesen Vorfall habe sich der Gesundheitszustand ihres Ehemannes erheblich verschlechtert. Vor dem Stromunfall sei ihr Ehemann stets gesund und leistungsfähig gewesen. Die Bekl. hat behauptet, ein Stromschlag hätte den Tod unmittelbar herbeigeführt, nicht erst 10 Tage später. Ursache des Todes sei ein unfallunabhängiger Herzinfarkt gewesen oder eine Grippe.
2 Aus den Gründen:
“ … (2.) Nach § 4 der BB-UZV vermindert sich die Leistung allerdings entsprechend dem Anteil der Mitwirkung, wenn zur Herbeiführung des Todes neben dem Unfall Krankheiten oder Gebrechen des Versicherten zu mindestens 25 % mitgewirkt haben.
Nach der Beweisaufnahme ist von einer 50 %igen Mitwirkung der Vorerkrankung des Ehemannes der Kl. an seinem Tod auszugehen.
Die Beweislast für die Mitwirkung anderer Ursachen nach § 4 der Bedingungen für die Unfall-Zusatzversicherung mit Leistung bei Erwerbsunfähigkeit oder Todesfall trifft den VR (Senat VersR 2004, 1544; Grimm, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 3 AUB 99 Rn 7; Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 182 VVG Rn 20). Ob § 286 ZPO oder § 287 ZPO das Beweismaß bestimmen, wird unterschiedlich gesehen. Zum Teil wird für die Frage, ob überhaupt unfallunabhängige Faktoren mitgewirkt haben, § 286 ZPO angewandt, die Höhe des Mitwirkungsanteils aber nach § 287 ZPO geschätzt (Bruck/Möller, VVG, 9.Aufl., § 182 VVG Rn 20). Zum Teil wird eine überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht für ausreichend gehalten (Grimm, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 3 AUB 99 Rn 7 und OLG Düsseldorf VersR 2002, 883 … ) bzw. auf § 286 ZPO abgestellt (OLG Koblenz r+s 2001, 348), überwiegend wird dagegen von der Rspr. § 287 ZPO angewendet (OLG Düsseldorf VersR 1997, 174; OLG Düsseldorf VersR 1994, 1218; OLG Hamm VersR 1982, 946). Hinsichtlich der Quote wird zum Teil angenommen, eine quantitative Bestimmung der Mitwirkung mehrerer Faktoren für den Tod sei nicht möglich, vielmehr seien die Todesursachen regelmäßig gleichwertige Ursachen, denn weder der Unfall noch die Vorerkrankung hätten für sich alleine diesen Tod zur Folge gehabt (OLG Frankfurt VersR 1991, 762). Die überwiegende Meinung sieht dies anders und hält eine Quotierung je nach dem Grad der Mitwirkung für zulässig (OLG Düsseldorf VersR 1997, 174; OLG Hamm VersR 1982, 946). So wurde bei einer Dreigefäßerkrankung der Herzarterien und einem unfallbedingten Herzinfarkt eine 45 %-ige Leistungskürzung vorgenommen, weit die Vorerkrankung Voraussetzung für den Herzinfarkt war (OLG Düsseldorf VersR 1997, 174). Bei einer Bewertung des Unfalles als austauschbare Ursache wurde eine Leistungskürzung von 75 % vorgenommen (OLG Hamm VersR 1982, 946; OLG Düsseldorf VersR 1964, 130), sowie von 66 %, weil durch einen Sturz die gesamte Kausalkette zwar in Gang gesetzt worden sei, aber eine eigentlich harmlose Gesundheitsverletzung wegen der Vorerkrankung zum Tode führte (OLG Karlsruhe r+s 1987, 326).
Das Beweismaß für die Mitwirkung einer Vorerkrankung i.S.v. § 4 der BB-UZV muss § 287 ZPO entnommen werden, und nicht § 286 ZPO. Denn es geht ebenso um die Unfallfolgen, also die haftungsausfüllende Kausalität, wie bei der vom (VN zu beweisenden Tatsache, dass der Unfall mitursächlich war, was nach § 287 ZPO zu beurteilen ist (BGH NJW 1993, 201). Warum für die vom VR zu beweisende Tatsache, dass – genau entgegengesetzt – Vorerkrankungen mitursächlich waren, etwas anderes gelten sollte, ist nicht erkennbar.
Für die tatrichterliche Überzeugungsbildung reicht deshalb eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Geschehensabläufen aus, dass die Vorerkrankung in kausalem Zusammenhang mit der Unfallfolge (hier dem Tod) steht. Das ist anzunehmen.
Im Gutachten v. 19.3.2008 hat der Sachverständig...