BGB § 280 Abs. 2 § 286 Abs. 1, 2 Nr. 4 § 433
Leitsatz
1. Ein Kunde, der an einer Selbstbedienungstankstelle Kraftstoff in seinen Tank füllt, schließt bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Tankstellenbetreiber bzw. unter dessen Vermittlung mit dem Mineralölunternehmen einen Kaufvertrag über die entnommene Menge Kraftstoff.
2. Entrichtet der Kunde einer Selbstbedienungstankstelle den Kaufpreis für den getankten Kraftstoff nicht, so gerät er mit dem Verlassen des Tankstellengeländes in Verzug, ohne dass es hierzu einer Mahnung bedarf.
BGH, Urt. v. 4.5.2011 – VIII ZR 171/10
Sachverhalt
Die klagende Betreiberin einer Selbstbedienungstankstelle nimmt den Bekl. auf Erstattung der Kosten der Ermittlung der Identität des Bekl. in Anspruch, die sie nach einem unbezahlten Tankvorgang des Bekl. aufgewendet hat. Der Bekl. hatte an einer Selbstbedienungstankstelle der Kl. Dieselkraftstoff für 10,01 EUR getankt, den die Kl. in Kommission für die O GmbH vertrieb. Der Bekl. zahlte an der Kasse lediglich einen Schokoriegel und zwei Vignetten zu einem Gesamtpreis von 25,30 EUR. Die Kl. schaltete zur Ermittlung des Tankkunden ein Detektivbüro ein, wodurch ihr Kosten i.H.v. 37 EUR entstanden. Mit der Beitreibung des Kaufpreises und der Detektivkosten beauftragte sie einen Rechtsanwalt. Hierbei fielen Anwaltsgebühren von 39 EUR an. Diesen Gesamtbetrag sowie eine Auslagenpauschale von 25 EUR machte die Kl. geltend. Das AG hat die Klage abgewiesen; das LG, das unter Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung der Berufung der Kl. stattgegeben habe, ließ die Revision zu. Die Revision des Bekl. hatte keinen Erfolg.
Das BG bejahte die Aktivlegitimation der Kl., die als Kommissionärin die mit dem Vertrieb des Kraftstoffs verbunden Geschäfte im eigenen Namen tätige. Da sie das Detektivbüro und den Anwalt im eigenen Namen beauftragt habe, komme es zur Begründung der Aktivlegitimation nicht darauf an, dass ihr die geltend gemachten Ansprüche "hilfsweise" von der Kraftstofflieferantin abgetreten worden seien. Weiterhin referierte der BGH die Begründung des BG.
2 Aus den Gründen:
[8] “Die Klage sei auch begründet. Die Kl. könne die geltend gemachten Kosten nach § 280 Abs. 1 BGB ersetzt verlangen. Zwischen den Parteien sei ein Kaufvertrag über den getankten Dieselkraftstoff dadurch zu Stande gekommen, dass der Bekl. das als Realofferte in der Aufstellung der betriebsbereiten Zapfsäule liegende Angebot der Kl. durch die Entnahme des Kraftstoffs angenommen habe (§§ 145, 151 BGB). Bei einer Selbstbedienungstankstelle habe der Kunde die vertragliche Nebenpflicht, die getätigte Betankung durch Angabe der benutzten Zapfsäule an der Kasse anzumelden. Diese Nebenpflicht habe der Bekl. schuldhaft verletzt. Soweit der Bekl. in der Berufungsinstanz erstmals ein Unterlassen der Mitteilung an der Kasse mit Nichtwissen bestritten und später eine Vornahme der Mitteilung behauptet habe, stehe dieses Vorbringen im Widerspruch zu seinem bisherigen Vortrag, wonach er an den Bezahlvorgang keine konkrete Erinnerung mehr habe.
[9] Daneben stehe der Kl. der geltend gemachte Anspruch auch aus § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1, 2 Nr. 4 BGB zu. Der Kaufpreis für den Kraftstoff sei nach Beendigung des Tankvorgangs gem. § 271 Abs. 1 BGB sofort fällig. Gem. § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB sei eine Mahnung für den Verzugseintritt entbehrlich. Die besonderen Gründe für den sofortigen Verzugseintritt lägen darin, dass bei Selbstbedienungstankstellen dem Gläubiger die Identität des Schuldners regelmäßig unbekannt und auch nicht ohne weiteres zu ermitteln sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass bei Selbstbedienungstankstellen, anders als bei anderen Barverkaufsgeschäften, dem Gläubiger bei Nichtzahlung aufgrund seiner Vorleistung die Ware nicht erhalten bleibe.
[10] Die Detektivkosten seien erforderlich und angesichts des von der Kl. dargelegten Umfangs der Tätigkeit angemessen. Sie stünden auch nicht außer Verhältnis zur Höhe des ausstehenden Tankbetrages. Abgesehen davon, dass es nicht möglich sei, eine abstrakte Bagatellgrenze festzulegen, bei deren Unterschreitung die Ermittlung und Verfolgung des Tankschuldners unterbleiben müsse, sei der darin liegende Verzicht auf die Eintreibung von Bagatellbeträgen den Tankstellenpächtern nicht zuzumuten. Für ein Mitverschulden der Kl., welches darin liegen könne, dass deren Angestellte es unterlassen habe, den Bekl. nach einem etwaigen Tankvorgang zu befragen, fehle es an einem Beweisangebot des Bekl..
[11] II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Dem Kl. steht der geltend gemachte Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 2 Nr. 4 BGB zu, sodass offen bleiben kann, ob die Annahme des BG, der geltend gemachte Anspruch bestehe auch aus § 280 Abs. 1 BGB, zutreffend ist.
[12] 1. Der Bekl. war mit der Bezahlung des am 7.3.2008 getankten Kraftstoffs in Verzug geraten, als er das Tankstellengelände verließ, ohne den Kraftstoff zu bezahlen.
[13] a) Ein Kunde, der an einer Selbstbedienungstankstelle Kraftstoff in seinen Tank füllt, schließt bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Tankstellenb...