“ … Gegen die Entscheidung des LG ist eine Gegenvorstellung nicht mehr statthaft, wenn die Sache wieder beim Ausgangsgericht anhängig ist, wie hier (Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., vor § 296, Rn 24 m.w.N.).

Eine Ausnahme gilt nur, wenn dem Beschwerdegericht schwerwiegende Verfahrensfehler unterlaufen sind.

Einen solchen Verfahrensfehler kann die Kammer jedoch nicht erkennen. Die Staatsanwaltschaft führt auch nicht aus, worin dieser nun genau liegt und weswegen dieser, auch unter Berücksichtigung der BGH-Rspr., die Aufhebung der vorläufigen Entziehung betrifft.

Die von der Staatsanwaltschaft angeführte BGH-Rspr., gemeint ist offensichtlich die Entscheidung des 4. Strafsenats v. 18.11.1969, Az. 4 StR 66/69, greift jedoch nicht.

Nicht richtig ist schon, dass die Kammer in ihrem Beschl. v. 8.7.2011, wie von der Staatsanwaltschaft behauptet, von einer Übermüdung ausgeht. Dort ist lediglich ausgeführt, dass das Unfallgeschehen eine entsprechende Deutung zulässt. Im Gegensatz zum “BGH-Fall’, wo die Übermüdung eindeutig feststand, gibt es hier nur entsprechende Anzeichen.

Der BGH hat seinerzeit entschieden, dass nach dem gegenwärtigen Stand der ärztlichen Wissenschaft (1969!) der Erfahrungssatz besteht, dass ein Kraftfahrer, bevor er am Steuer seines Fahrzeugs während der Fahrt einschläft (einnickt), stets deutliche Zeichen der Ermüdung (Übermüdung) an sich wahrnimmt oder wenigstens wahrnehmen kann. Ausgenommen hiervon ist der (seltene) Fall, dass der Kraftfahrer an Narkolepsie leidet.

Der BGH führt in den Entscheidungsgründen unter Ziffer III, aus:

Zitat

“Zur Vermeidung von Missverständnissen wird nochmals betont, dass diese Auffassung samt der nachstehend gegebenen Begründung nur den Fall betrifft, in welchem ein Kraftfahrer, der weder Alkohol genossen noch Narkotika oder Medikamente zu sich genommen hat und der in ausgeruhtem Zustand die Fahrt angetreten hat, während der Fahrt am Lenker seines Kraftwagens “einnickt’ … Gesichert ist die Erkenntnis, dass ein (gesunder) bisher hellwacher Mensch nicht so plötzlich von Müdigkeit überfallen werden kann, dass er von einem zum anderen Augenblick einschläft. Die aufkommende Müdigkeit kündigt sich vielmehr durch besondere Anzeichen an’.

Der BGH, der sich dreier namhafter Sachverständiger bediente, entscheidet weiter:

Zitat

“Im übrigen aber haben die drei Sachverständigen aufgrund ihrer Kenntnisse und der in der letzten Zeit durchgeführten Beobachtungen und Untersuchungen übereinstimmend dargelegt, dass jedenfalls ein gesunder Kraftfahrer nicht unversehens während der Fahrt einschlafen (einnicken) kann, ohne dass er zuvor Anzeichen einer erheblichen Müdigkeit an sich wahrgenommen hat oder mindestens wahrnehmen konnte. … Das alles gilt auch … für Kraftfahrer, die an bestimmten Krankheiten oder Zuständen leiden, welche – wie etwa Herzleistungsschwäche, Herzmuskelerkrankungen, Infekte, Blutmangelkrankheiten, Hypotonie – frühzeitige Erschöpfungszustände auslösen können. … Eine Ausnahme gilt nach der insoweit übereinstimmenden Bekundung der Sachverständigen nur für den Fall, dass der Kraftfahrer an Narkolepsie leidet. Hierbei kann in der Tat die Übermüdung so plötzlich einsetzen, dass der davon Betroffene, ehe er einschläft, nichts dagegen unternehmen kann’.

Ob Schlafapnoiker so eine Ausnahme nach heutigem Stand der ärztlichen Wissenschaft (2011) darstellen, weiß die Kammer nicht, weswegen auch die Erholung eines entsprechenden Gutachtens angeregt wurde. (siehe auch: Dr. Ingo E. Fromm, juris PR-StrafR 14/2011, Schlafapnoe: Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen gem. § 69 StGB?).

Im vorliegenden Fall sind jedoch bereits keine Feststellungen dazu getroffen worden, ob der Unfall durch Übermüdung entstanden ist. Wie die Polizei in ihrem Schlussbericht treffend ausführt, “legen die Angaben des Angeschuldigten an der Unfallstelle, er sei Schlafapnoiker, zusammen mit den Beobachtungen des Zeugen F nahe, dass ein Sekundenschlaf beim Angeschuldigten für den Unfall ursächlich war. Ob dies tatsächlich so der Fall war, konnte im Zuge der Ermittlungen nicht abschließend geklärt werden.’ (S. 5 unten der Akte)

Nochmals weist die Kammer darauf hin, dass für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 111a StPO dringende Gründe für die Annahme vorhanden sein müssen, dass die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entzogen werden wird. Das “Naheliegen’ (oder auch Vermuten) solcher Gründe reicht, trotz der BGH-Rspr., nicht aus.

Die Kammer schließt in ihrem Beschl. v. 8.7.2011 nicht aus, dass der Angeschuldigte sich wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs tatsächlich schuldig gemacht hat und ihm gegebenenfalls demzufolge auch die Fahrerlaubnis zu entziehen sein wird. Gegenwärtig liegen jedoch die Voraussetzungen für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nicht vor. …“

Mitgeteilt von RA Dr. Ingo E. Fromm, Koblenz

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