BGB § 280
Leitsatz
Wird ein Sachverständiger durch den Geschädigten mit der Erstellung eines Schadensgutachtens beauftragt und erstellt er schuldhaft ein fehlerhaftes Gutachten, durch das dem Schädiger bzw. dessen Versicherer ein Schaden entsteht, so hat der Sachverständige diesen Schaden gem. § 280 BGB zu ersetzen. Vertraut der Geschädigte auf den vom Sachverständigen fehlerhaft ermittelten Restwert und veräußert sein Fahrzeug zu diesem, so haftet der Sachverständige für die Differenz zwischen ermitteltem und tatsächlich erzielbarem Restwert.
(Leitsätze des Einsenders)
LG Erfurt, Urt. v. 26.11. 2010 – 10 O 1669/08
Sachverhalt
Die Kl. hat die Verurteilung des beklagten Sachverständigen wegen einer von ihr angenommenen fehlerhaften Erstattung eines Gutachtens nach einem Verkehrsunfall verfolgt. Im Vorprozess war die Kl. des vorliegenden Verfahrens zur Zahlung von Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, für dessen Folgen die Kl. als Haftpflichtversicherung in voller Höhe eintrittspflichtig war, verurteilt worden. Im Vorprozess bestand Streit über die Höhe des Restwertes. Das im Vorprozess klagende Land Thüringen ging von einem Restwert von 950 EUR aus, während die Kl. des vorliegenden Verfahrens und Bekl. des Vorprozesses von einem Restwert von 11.260 EUR ausging. Der Freistaat Thüringen hatte das Fahrzeug zu einem Preis von 950 EUR veräußert und sich hierbei auf ein Gutachten des Bekl. im vorliegenden Verfahren gestützt. Die Kl. des vorliegenden Verfahrens hat dem Bekl. des vorliegenden Verfahrens im Vorprozess den Streit verkündet.
In dem Vorprozess erstellte der gerichtliche Sachverständige ein Gutachten, in dem er einen Restwert von 8.000 bis 9.500 EUR ermittelte. In der Berufungsinstanz ging der Senat davon aus, dass der Freistaat Thüringen sich auf das Gutachten des Bekl. habe verlassen dürfen, es keinen Grund gegeben habe, der Wertschätzung des Sachverständigen zu misstrauen. Damit liege kein Verstoß des Freistaats Thüringen gegen seine Schadensminderungspflicht vor, da er nicht nach einer günstigeren Verwertungsmöglichkeit gesucht habe.
Die Kl. hat den Bekl. für haftbar gehalten, da er den Restwert fehlerhaft ermittelt habe und sie in den Schutzbereich des Gutachtenvertrages einbezogen gewesen sei. Der Bekl. hat die Auffassung vertreten, ein korrektes Gutachten erstattet zu haben.
2 Aus den Gründen:
“Die Klage ist überwiegend begründet. Der Bekl. hat schuldhaft (fahrlässig) ein fehlerhaftes Gutachten erstellt und dadurch einen Schaden der Kl. i.H.v. 7.550 EUR verursacht. Diesen Schaden hat er gem. § 280 BGB zu ersetzen.
Einen vertraglichen Schadensersatzanspruch kann die Kl. geltend machen, obwohl sie nicht Vertragspartner des Bekl. gewesen ist. Mit der Erstellung des Gutachtens vom 28.7.2003 war der Bekl. seinerzeit vom Freistaat Thüringen beauftragt worden. Es war allerdings völlig klar, dass es um ein Gutachten zwecks Regulierung eines Haftpflichtschadens ging. Das Gutachten wurde also mit dem Ziel erstellt, dass der Freistaat Thüringen als Geschädigter des Verkehrsunfalls auf der einen Seite und die Kl. als Haftpflichtversicherung des Schädigers auf der anderen Seite mithilfe dieses Gutachten die Schadensregulierung vornehmen können. Damit wurde die Kl. in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen.
Der Bekl. hat das Gutachten vom 28.7.2003 nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt. Dies steht im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichtes fest. Bei korrekter und fehlerfreier Vorgehensweise hätte der Bekl. in seinem Gutachten vom 28.7.2003 einen Restwert des Fahrzeuges in dem Bereich zwischen 8.500 EUR und 10.500 EUR angeben müssen und nicht – wie tatsächlich geschehen – einen Restwert von 950 EUR. Der Sachverständige Dipl.-Ing. K hat in seinen beiden Gutachten vom 14.12.2005 und vom 1.6.2010 sowie bei seiner Anhörung nachvollziehbar und plausibel erläutert, warum dem Bekl. der Vorwurf zu machen ist, er habe fahrlässig ein nicht korrektes Gutachten erstellt. Das Gericht folgt dieser Einschätzung des Sachverständigen und schließt sich ihr ohne Einschränkungen an.
Die vom Bekl. gegen diesen Vorwurf erhobenen Einwände sind allesamt widerlegt worden. Soweit der Bekl. behauptet, Informationen über das Internet seien im Jahre 2003 gerade erst im Entstehen gewesen bzw. nur rudimentär vorhanden gewesen, ist dies unzutreffend. Der Sachverständige K hat in seinem Gutachten vom 1.6.2010 dargelegt, seit wann die verschiedenen regionalen Restwertbörsen im world-wide-web agieren. Er hat 5 verschiedene Restwertbörsen benannt, die alle in der Zeit zwischen 1996 und 2000 ihre Tätigkeit aufgenommen haben und im Jahre 2003 bereits am Markt etabliert waren.
Wenig überzeugend ist der Einwand des Bekl., Polizeifahrzeuge seien damals in Thüringen nicht frei veräußerlich gewesen. Dass ein Polizeifahrzeug nicht immer Polizeifahrzeug bleiben muss, sondern auch zurückgerüstet werden kann, liegt auf der Hand. Für eine Privatperson, die ein Gebrauchtfahrzeug erwerben möchte, spielt es vielmehr eine Rolle, wie alt das Fahrzeug ist, wie viele ...