AVB Vermögensschadenhaftpflichtversicherung § 3 § 5
Leitsatz
Vereinbart ein Versicherungsnehmer, gegen den der Vorwurf der Vorteilsannahme und Bestechlichkeit erhoben worden ist, mit seinem Dienstherrn zur Abwendung eines Disziplinarverfahrens eine Ausgleichszahlung, so kann er deren Erstattung nicht von seinem Vermögensschadenhaftpflichtversicherer verlangen.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 29.6.2011 – 5 U 553/10
Sachverhalt
Der Kl., ein leitender Ministerialbeamter, der bei der Bekl. eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung unterhielt, geriet in den Verdacht der Vorteilsannahme, Bestechlichkeit und Untreue, weil er in mehreren Fällen bei Vergabeentscheidungen und Leistungsabrechnungen Verfehlungen begangen haben sollte. Er akzeptierte einen Strafbefehl "aus gesundheitlichen Gründen" und vereinbarte mit seinem Dienstherrn die Erstattung des Bruttounterschiedsbetrages zwischen zwei Besoldungsgruppen zur Abwendung eines Disziplinarverfahrens. Dessen Gesamtsumme verlangt er von seinem Vermögensschadenshaftpflichtversicherer.
2 Aus den Gründen:
“ … (1.) Nach Art. 1 Abs. 1, 2 EGVVG ist das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung weiter anzuwenden, weil der Versicherungsfall bei dem Altvertrag zwischen den Parteien bis zum 31.12.2008 eingetreten ist. Nach § 5 Nr. 1 AVB 82 ist Versicherungsfall i.S.d. Vermögensschadenhaftpflichtversicherung der Verstoß, der Haftpflichtansprüche gegen den VN zur Folge haben kann. Das haftungsrelevante Verhalten des Kl. lag vor dem Zeitpunkt der Anklageerhebung am 16.6.2006.
(2.) Nach § 3 Nr. 1 AVB 82 schuldete die Bekl. als VR dem Kl. die Abwehr unbegründeter und die Befriedigung begründeter Ansprüche, die gegen ihn anlässlich der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts geltend gemacht werden. Ob der VR freiwillig zahlt, oder ob er die Zahlung ablehnt und es darauf ankommen lässt, ob der geschädigte Dritte seine Ansprüche gerichtlich geltend macht, entscheidet er grundsätzlich nach seinem eigenen Ermessen. Diesem Ermessen sind lediglich dort Grenzen gesetzt, wo die Interessen des VN eine Rücksichtnahme des VR verlangen. Das gilt beispielsweise dann, wenn ein Schadensfreiheitsrabatt des VN auf dem Spiele steht oder wenn über die Versicherungssumme hinausgehende Ansprüche des geschädigten Dritten durch das Verhalten des VR präjudiziert werden könnten (BGH VersR 1980, 180; VersR 2001, 1150). Die Interessen des VN sind allerdings nur insoweit zu wahren, wie dies mit Sinn und Zweck der Haftpflichtversicherung vereinbar ist (Schneider, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl., § 24 Rn 131). So schuldet der VR keine Befriedigung unbegründeter Ansprüche im Hinblick auf sonstige Vorteile des VN.
Zu Recht hat deshalb das LG die Leistungspflicht der Bekl. bereits deshalb verneint, weil nach dem eigenen Vortrag des Kl. keine Schadensersatzansprüche der öffentlichen Hand gegen ihn bestanden. Der Kl. bestreitet bis heute, seine Dienstpflichten verletzt zu haben. Er hat den Strafbefehl und seine Zahlungspflicht nach der Vereinbarung vom 9.11.2009 nach eigenem Vortrag lediglich akzeptiert, um keinen weiteren Verfahren mehr ausgesetzt zu sein und seine Gesundheit zu schonen. Durch diesen Vortrag hat der Kl. keine begründeten Schadensersatzansprüche Dritter dargelegt, die die Bekl. hätte befriedigen müssen. Zur Befriedigung unberechtigter Schadensersatzverlangen Dritter, um eine Einstellung des Strafverfahrens bzw. des Disziplinarverfahrens zu erreichen, auch wenn diese gesundheitliche Nachteile für den VN verursachen, ist der Haftpflichtversicherer nicht verpflichtet. Der Zweck der Haftpflichtversicherung ist ein Vermögensschutz und kein Schutz vor gesundheitlichen oder sozialen Belastungen.
Aus diesem Grund kommt es nicht darauf an, ob die Zahlungsvereinbarung vom 9.11.2009 einen pauschalen Schadensersatz festschreiben oder eine Disziplinarmaßnahme darstellen sollte, wofür spricht, dass eine jegliche Schadensersatzberechnung fehlt und ein Zustand erreicht wird, der einer zeitlich begrenzten Zurückstufung des Kl. i.S.v. § 9 SDG entspricht. Auf den Willen der Vertragschließenden kommt es im Verhältnis zu der an dieser Vereinbarung nicht beteiligten Bekl. nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass im vorliegenden Rechtsstreit kein begründeter Schadensersatzanspruch der öffentlichen Hand gegen den Kl. behauptet und dargelegt wird.
Soweit sich aus den vom Kl. vorgelegten Anlagen, insb. aus dem Strafbefehl vom 26.5.2009 Untreuehandlungen des Kl. zum Nachteil der öffentlichen Hand ergeben, kann daraus zwar auf bestehende privatrechtliche Schadensersatzansprüche gegen den Kl. geschlossen werden. Träfen die Vorwürfe zu, wie die Bekl. meint, fielen entsprechende Ansprüche gegen den Kl. allerdings unter den Ausschluss des § 4 Nr. 5 AVB 82. Danach bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schadenstiftung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Mach...