ZPO § 88 Abs. 1 § 103 ff.
Leitsatz
Hat das Prozessgericht auf die Rüge des Gegners einen Mangel der Vollmacht verneint, kann die Wirksamkeit der Vollmacht im Kostenfestsetzungsverfahren nicht mit derselben Begründung erneut infrage gestellt werden.
BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – V ZB 237/10
Der Kl. und die Bekl. des vor dem AG Heidelberg geführten Rechtsstreits sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In diesem Rechtsstreit hatte der Kl. mehrere von der Gemeinschaft gefasste Beschlüsse angefochten. Da AG hat die Klage dem damaligen Verwalter zugestellt. Dieser beauftragte eine Anwaltssozietät, die übrigen Wohnungseigentümer als Bekl. des Beschlussanfechtungsverfahrens zu vertreten. In diesem Verfahren rügte der Kl. die Vollmacht der gegnerischen Rechtsanwälte mit der Begründung, der Verwalter sei nicht berechtigt gewesen, diese zu beauftragen. Das AG hat hierauf die Vollmacht der Rechtsanwälte geprüft und im Hinblick auf § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG für wirksam erachtet. Aufgrund der in dem amtsgerichtlichen Urt. getroffenen Kostenentscheidung hat der Rechtspfleger des AG nach Kostenausgleichung die von dem Kl. an die Bekl. zu erstattenden Kosten festgesetzt. Mit seiner gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss gerichteten Beschwerde hat der Kl. weiterhin geltend macht, die Prozessbevollmächtigten der Bekl. seien von dem Verwalter nicht wirksam bevollmächtigt worden. Mit seinen Rechtsmitteln ist der Kl. ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Kl. seinen Antrag weiter, die durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Bekl. entstandenen Kosten nicht festzusetzen.
1 Aus den Gründen:
[4] “Das Beschwerdegericht lässt offen, ob ein Mangel der Vollmacht im Kostenfestsetzungsverfahren gerügt werden kann. Die Rüge sei jedenfalls unbegründet. Die Vertretungsbefugnis des Verwalters folge aus § 27 Abs. 2 S. 2 WEG. Die Vorschrift begründe die Vermutung, dass die Führung eines Passivprozesses im Sinne des § 43 Nr. 4 WEG eine objektiv erforderliche Maßnahme zur Abwehr von Nachteilen für die Wohnungseigentümer darstelle.
[5] Die Rechtsbeschwerde bleibt schon deshalb ohne Erfolg, weil im Kostenfestsetzungsverfahren nicht erneut zu prüfen ist, ob der damalige Verwalter berechtigt war, einen Anwalt mit der Vertretung der Bekl. zu beauftragen.
[6] Gem. § 88 ZPO kann der Mangel der Vollmacht eines Prozessbevollmächtigten von dem Gegner zwar in jeder Lage des Rechtsstreits und damit grundsätzlich auch noch im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden (vgl. OLG Hamm RVGreport 2005, 279 (Hansens) = AGS 2005, 412 = OLGR 2005, 385, 386; OLG Bamberg JurBüro 1977, 1439, 1440; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 88 Rn 2; MüKo-ZPO/v. Mettenheim, 3. Aufl., § 88 Rn 6; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 88 Rn 2). Da in diesem Verfahren Einwendungen gegen die zugrunde liegende Kostengrundentscheidung nicht erhoben werden können, ist die Rüge allerdings unbeachtlich, soweit sie sich auf die Vollmacht zur Führung des Prozesses in der Hauptsache bezieht. Gerügt werden kann nur die Berechtigung, einen Kostenfestsetzungsantrag für die Partei zu stellen (so zutreffend: OLG Hamm, a.a.O.; Zöller/Vollkommer, a.a.O.).
[7] Auch eine solche Rüge ist aber ausgeschlossen, wenn ein möglicher Mangel der Vollmacht in dem vorausgegangenen Rechtsstreit bereits geprüft und verneint worden ist. Die Beurteilung des für die Hauptsache zuständigen Gerichts bleibt dann – vorbehaltlich einer Überprüfung durch die höhere Instanz – für die weiteren Prozesshandlungen des Bevollmächtigten maßgeblich und kann deshalb im Kostenfestsetzungsverfahren, welches einen Teil des Rechtsstreits bildet (vgl. BGH NJW-RR 2007, 422 Rn 8), nicht mit derselben Begründung erneut infrage gestellt werden (vgl. BVerwG AnwBl 1987, 236; KG RVGreport 2008, 194 (Hansens) = AGS 2008, 507 = JurBüro 2008, 316, 317; LG Bonn AnwBl 1983, 518, 519).
[8] So verhält es sich hier. Nachdem das AG die Vollmacht der für die Bekl. aufgetretenen Rechtsanwälte geprüft und im Hinblick auf § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG für wirksam erachtet hat, wären Einwendungen gegen diese Rechtsansicht mit der Berufung geltend zu machen gewesen. Im Kostenfestsetzungsverfahren ist der Kl mit ihnen ausgeschlossen.“
2 Anmerkung:
Häufig wird die Rüge der Prozessvollmacht allein zwecks Verzögerung des Verfahrens erhoben. Deshalb sollten die Prozessbevollmächtigten die hierzu ergangene Rechtsprechung kennen, um im Interesse ihrer Partei angemessen reagieren zu können. Unter welchen Voraussetzungen eine Rüge der Vollmacht im Kostenfestsetzungsverfahren zu beachten ist, richtet sich nach der jeweiligen Verfahrenssituation.
I. Hat die betreffende Partei den Mangel der Vollmacht bereits im Rechtsstreit gerügt, so hat das Prozessgericht hierüber zu entscheiden. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, die Rüge sei unberechtigt und die dem Prozessbevollmächtigten der Gegenpartei erteilte Vollmacht wirksam, so kann die den Mangel rügende Partei hiergegen nur vorgehen, indem sie gegen die dann erlassene Sachentscheidung des Prozessgerichts Berufung einlegt.
Die...