ZPO § 215 Abs. 1
Leitsatz
Eine ordnungsgemäße Ladung i.S.d. § 215 ZPO setzt nicht voraus, dass eine Partei, gegen die ein Vollstreckungsbescheid erwirkt worden ist, in der Terminsladung zusätzlich zu den in § 215 Abs. 1 ZPO aufgeführten Hinweisen darüber belehrt worden ist, dass ein im Falle ihrer Säumnis gegen sie ergehendes (zweites) Versäumnisurteil (§§ 345, 700 Abs. 6 ZPO) nur im Wege der Berufung angefochten werden kann.
BGH, Urt. v. 22.9.2010 – VIII ZR 182/09
Sachverhalt
Die Kl. erwirkte gegen die damals noch u.a. Namen firmierende Bekl. zunächst einen Mahnbescheid und auf dessen Grundlage am 9.9.2008 einen Vollstreckungsbescheid über 1.201,87 EUR nebst Zinsen und Kosten. Den gegen den Mahnbescheid verspätet erhobenen Widerspruch der Bekl. wertete das Mahngericht als Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid. Nach Abgabe der Sache an das AG als zuständiges Prozessgericht und Eingang der Anspruchsbegründung hat das AG das schriftliche Verfahren angeordnet und nach Ausbleiben einer Erwiderung der Bekl. Verhandlungstermin auf den 2.12.2008 bestimmt. In der gleichzeitig erfolgten Ladung hat es die Bekl. über die Möglichkeit des Erlasses eines Versäumnisurt. für den Fall eines unentschuldigten Nichterscheinens belehrt.
Die Terminsladung ist der Bekl. am 5.11.2008 zugestellt worden. Am 1.12.2008 hat der am 28.11.2008 mandatierte Bekl.-Vertreter seine Bestellung als Prozessvertreter angezeigt und die Verlegung des Termins beantragt. Diesen Antrag hat das AG mit Beschl. v. 2.12.2008 zurückgewiesen. In der anschließenden mündlichen Verhandlung hat das AG den Einspruch der nicht vertretenen Bekl. auf Antrag der Kl. durch zweites Versäumnisurt. verworfen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung hat die Bekl. u.a. geltend gemacht, sie sei nicht ordnungsgemäß zu dem anberaumten Termin geladen worden, da sie in der Terminsladung nicht auf die Möglichkeit des Erlasses eines zweiten Versäumnisurt. hingewiesen worden sei, gegen welches nur noch das Rechtsmittel der Berufung eröffnet sei. Das LG hat die Berufung der Bekl. zurückgewiesen. Mit ihrer vom BG zugelassenen Revision erstrebt die Bekl. die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an die erste Instanz.
2 Aus den Gründen:
[3] “Die Revision hat keinen Erfolg.
[4] I. Das BG hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
[5] Das AG habe verfahrensfehlerfrei auf Antrag der Kl. gegen die in der mündlichen Verhandlung nicht vertretene Bekl. ein zweites Versäumnisurt. (§ 345 ZPO) erlassen. Die Bekl. sei – wie in § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vorausgesetzt – ordnungsgemäß zum Verhandlungstermin vom 2.12.2008 geladen worden. Der Ladung sei die nach § 215 Abs. 1 ZPO erforderliche Belehrung über die Folgen der Versäumung des Termins beigefügt gewesen. Entgegen der Auffassung der Bekl. genüge insoweit ein allgemeiner Hinweis darüber, dass im Falle der Säumnis zum Nachteil der säumigen Partei durch Versäumnisurt. entschieden werden könne.
[6] Eine weiter gehende Belehrung hinsichtlich aller Einzelheiten einer Versäumnisentscheidung sehe § 215 Abs. 1 ZPO nicht vor; insb. fordere die vom Prinzip der Parteiherrschaft geprägte Zivilprozessordnung keine Belehrung darüber, dass gegen ein zweites Versäumnisurt. nur noch das Rechtsmittel der Berufung und nicht – wie beim Erlass eines ersten Versäumnisurt. – ein Einspruch eröffnet sei. Die in § 215 Abs. 1 ZPO gestellten Anforderungen an die Belehrungspflicht des Gerichts über mögliche Säumnisfolgen erstrecke sich nur auf die dort ausdrücklich genannten Fälle eines ersten Versäumnisurt. oder einer Entscheidung nach Lage der Akten (§§ 330, 331, 331a ZPO), nicht dagegen auf das in § 345 ZPO geregelte zweite Versäumnisurteil. Der in § 215 Abs. 1 ZPO geforderten Warnfunktion werde bereits mit einer – im Streitfall erfolgten – einfachen Belehrung über die Möglichkeit eines Versäumnisurt. genügt. Zudem sei der besseren Verständlichkeit wegen von zu weitschweifigen, übervorsichtigen und (nur scheinbar) alle Eventualitäten erfassenden Belehrungen Abstand zu nehmen. Auch Art. 17 der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels stelle keine weiter gehenden Anforderungen.
[7] Dem Erlass eines zweiten Versäumnisurt. habe auch nicht entgegen gestanden, dass erst im Termin Antrag auf Verwerfung des Einspruchs gestellt und die mit der Anspruchsbegründung zunächst verfolgte Erweitung der Klage um 5,90 EUR in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten worden sei. Denn die Bestimmung des § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, wonach ein Versäumnisurteil nur ergehen dürfe, wenn der nicht erschienenen Partei ein Antrag mittels Schriftsatzes rechtzeitig mitgeteilt worden ist, gelte weder für Anträge, die ausschließlich den Gang des Verfahrens beträfen, noch für eine teilweise Klagerücknahme.
[8] II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das BG hat die Berufung der Bekl. rechtsfehlerfrei nach § 514 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen,...