BGB § 623 § 824
Leitsatz
1. Bonitätsbeurteilungen begründen, soweit es sich um Meinungsäußerungen handelt, in der Regel keine Ansprüche aus § 823 BGB.
2. Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb scheiden grds. aus, wenn die als Meinungsäußerung zu qualifizierende Bonitätsbeurteilung auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage beruht.
BGH, Urt. v. 22.2.2011 – VI ZR 120/10
Sachverhalt
Der Kl. führt seit 2005 ein Unternehmen, das die Verwaltung und den Betrieb von gastronomischen Objekten zum Gegenstand hat. Die Bekl. ist als Inkassounternehmen tätig und erteilt Wirtschaftsauskünfte, zu denen unter anderem Bonitätsbeurteilungen gehören. Die Kl. hat die Verurteilung der Bekl. zur Unterlassung der von der Bekl. erteilten negativen Bonitätsbeurteilung "Index 500", verbunden mit der Einschätzung der Zahlungsweise als "langsam und schleppend, Creditreform-Inkasso-Dienst wurde eingeschaltet", Löschung dieser Beurteilung im Datenbestand und Schadensersatz i.H.v. 54.265,75 EUR verfolgt. Der Bonitätsbeurteilung lagen vier Forderungen gegen die Kl. zwischen 205,10 EUR und 361,92 EUR zu Grunde. Die Kl. hat die Bonitätsbeurteilung für fehlerhaft gehalten. Die Bekl. hat ihre Bonitätsbeurteilung verteidigt und ausgeführt, in allen vier Fällen sei der schließlich erfolgten Zahlung die Einhaltung eines Inkassodienstes vorausgegangen. Die Bonitätsbewertung beruhe auf einem anerkannten Verfahren, bei dem neben dem Zahlungsverhalten des Schuldners auf 14 weitere Auskunftsmerkmale abgestellt werde.
Nach Abweisung der Klage und von der Kl. eingelegter Berufung hat die Bekl. eine neue Kreditauskunft mit dem Bonitätsindex 363 erteilt und die Zahlungsweise der Kl. mit "meist innerhalb vereinbarter Ziele, teils auch länger" angegeben. Unter teilweiser übereinstimmender Erledigung des Unterlassungsantrages und der Folgeanträge haben die Parteien nur noch in der Berufung über den Zahlungsantrag verhandelt. Das BG hat die Berufung der Kl. zurückgewiesen. Die Revision der Kl., die ihren Zahlungsanspruch weiter verfolgte, hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[8] “… 2. Das BG verneint einen Anspruch der Kl. aus § 824 Abs. 1 BGB, weil sich die Kl. nicht gegen Tatsachenbehauptungen, sondern gegen ein Werturteil wende und weil die zu Grunde liegenden Tatsachen wahr seien. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
[9] a) Nach § 824 Abs. 1 BGB hat derjenige, der der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, dem anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss. Abs. 2 bestimmt, dass durch eine Mitteilung, deren Unwahrheit dem Mitteilenden unbekannt ist, dieser nicht zum Schadensersatz verpflichtet wird, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hat. Die Vorschrift setzt danach voraus, dass unwahre Tatsachen mitgeteilt werden, nicht bloß Werturteile. Vor abwertenden Meinungsäußerungen und Werturteilen bietet § 824 Abs. 1 BGB hingegen keinen Schutz (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 = VersR 2006, 1219 Rn 62 – “Kirch’). Die Abgrenzung von Tatsachen und Werturteilen ist bei der Anwendung des § 824 BGB ebenso vorzunehmen wie in sonstigen Zusammenhängen (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 = VersR 2006, 1219 Rn 63 – “Kirch’; MüKo-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 824 Rn 14).
[10] Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (vgl. z.B. Senatsurt. v. 30.1.1996 – VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 21 = VersR 1996, 597, 598; v. 11.3.2008 – VI ZR 7/07, VersR 2008, 793, Rn 14, 24; v. 17.11.2009 – VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn 15).
[11] Die durch eine Zahl repräsentierte Bonitätsbeurteilung eines Unternehmens stellt im Allgemeinen eine Bewertung dar, die auf Tatsachen beruht. Diese werden nach vorgegebenen Bewertungskriterien gewichtet und fließen so in das letztendlich abgegebene Werturteil ein, das aber dadurch nicht selbst zu einer Tatsachenbehauptung wird. Dies ist nur dann der Fall, wenn bei der Äußerung aus Sicht des Empfängers die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens gegenüber den zu Grunde liegenden Tatsachen in den Hintergrund treten.
[12] Dem entspricht die Rspr. des erkennenden Senats, wonach bei Kollisionen zwischen dem Recht der Meinungsäußerungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht dort, wo Tatsachenbehauptungen und Wertungen zusammenwirken, grds. der Text in seiner Gesamtheit von der Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst wird, weil im Fall einer engen Verknüpfung der Mitteilung von Tatsachen und ihrer Bewertung der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit nicht dadurch verkürzt werden darf, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet wird (vgl...