Die sich aus dem Haftpflichtversicherungsrecht ergebende Schadensersatzpflicht der Versicherungen ist vor dem Hintergrund der allgemeinen, sich aus dem Zivilrecht ergebenden Schadensersatzpflicht des Schädigers zu betrachten. Danach erfüllt der Schadensersatz eine Kompensationsfunktion mit der Folge, dass der Geschädigte durch das schädigende Ereignis weder entreichert noch bereichert werden darf.
Die Schadensersatzpflicht des Schädigers entsteht mit Eintritt des schädigenden Ereignisses und hängt nicht davon ab, ob der Geschädigte den ursprünglichen Zustand des Fahrzeugs durch eine Reparatur herbeiführt. Sie umfasst vor allem den Geldbetrag, der zur Reparatur des beschädigten Fahrzeugs notwendig und wirtschaftlich vertretbar ist. Sollte durch die Reparatur eine Wertsteigerung des Fahrzeugs im Vergleich zu dessen ursprünglichen Wert vor dem Unfall eintreten, so muss sich der Geschädigte dies anrechnen lassen (Bereicherungsverbot des Schadensersatzes). Dieser seltene Fall der Wertsteigerung könnte beispielsweise auch eintreten, wenn Vorschäden bei der Reparatur mitrepariert werden. Die Ansicht der Rechtsprechung, dass das Fahrzeug durch die Verwendung von Neuteilen eine Wertsteigerung erfährt, ist nicht mehr aktuell.
Auch nach polnischem Recht steht dem Geschädigten ein Wahlrecht zwischen der Reparatur des Fahrzeugs auf Rechnung des Schädigers beziehungsweise der Haftpflichtversicherung oder der Auszahlung des zur Reparatur nötigen Betrags zu. Der Versicherer kann dem Geschädigten nicht das Wahlrecht abnehmen, indem er ihm eine bestimmte Form des Schadensersatzes aufzwingt, nur weil diese für den Versicherer wirtschaftlich vorteilhafter ist. Dieser Grundsatz findet seine Grenze, sobald die Reparatur unmöglich, zu schwierig oder zu kostspielig sein sollte. Klare Grenzen finden sich hierzu in der Rechtsprechung nicht.
Vor dem Hintergrund der Regelung des Art. 363 § 1 S. 2 k.c. hat sich die Rechtsprechung auf einige Grundsätze festgelegt, ab wann die Reparatur unrentabel wird und der Gläubiger lediglich den Wiederbeschaffungswert fordern kann. Dies ist zumindest dann anzunehmen, wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen. Dann beschränkt sich der Anspruch des Geschädigten auf den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts des Fahrzeugs. Die Rechtsprechung Anfang der 80er Jahre hat dies noch anders gesehen und dem Geschädigten, ohne konkrete Zahlen zu nennen, eine kostspieligere Reparatur zugebilligt, da zur damaligen Zeit nicht ohne Weiteres ein Fahrzeug auf dem freien Markt wieder beschafft werden konnte. Diese Argumentation dürfte aufgrund der mittlerweile veränderten Marktlage in Polen nicht mehr zutreffen. Daher ist grundsätzlich von der oben genannten Grenze im Sinne der Rechtsprechung auszugehen. Die Reparaturkosten sind bis zum Wiederbeschaffungswert ersatzfähig. Inwieweit diese Grenze aufgrund von Umständen des Einzelfalls durchbrochen werden kann, ist nicht geklärt. Eine Überschreitung der Reparaturkosten um 100 % des Wiederbeschaffungswerts hat die Zivilkammer des obersten polnischen Gerichtshofs jedenfalls als unzulässig angesehen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass aufgrund der zu Art. 363 § 1 k.c. entwickelten Rechtsprechung davon auszugehen ist, dass die Reparaturkosten grundsätzlich maximal 100 % des Wiederbeschaffungswertes betragen dürfen. Es besteht insofern Argumentationsspielraum im Einzelfall, wenn die Durchbrechung der 100-%-Grenze als dienlich erscheint. In Anlehnung an die frühere Rechtsprechung dürfte dies zumindest dann der Fall sein, wenn es sich bei dem Fahrzeug um ein seltenes, auf dem freien Markt schwer zu beschaffendes Fahrzeug handelt und der Geschädigte auf dessen Reparatur besteht. Ein Pendant zum Integritätszuschlag (130-%-Grenze), wie er von der deutschen Rechtsprechung entwickelt wurde, findet sich in der polnischen Rechtsprechung aber nicht.