RVG § 46 Abs. 2

Leitsatz

Die Entscheidung über den Antrag eines beigeordneten Rechtsanwalts auf Feststellung der Erforderlichkeit einer Reise (§ 46 Abs. 2 S. 1 RVG) ist unanfechtbar.

OLG Celle, Beschl. v. 25.6.2012 – 2 Ws 169/12

Sachverhalt

Die StA hatte gegen den Angeklagten F. sowie gegen weitere Mitangeklagte Anklage wegen bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erhoben. Die Hauptverhandlung hat bereits im Oktober 2010 begonnen und dauert an. Am 16.4.2012 hat die Kammer das Verfahren gegen den Angeklagten F. abgetrennt und die Hauptverhandlung gegen ihn ausgesetzt, da er verhandlungsunfähig geworden und die Wiederherstellung seiner Verhandlungsfähigkeit nicht abzusehen sei. Seine Pflichtverteidigerin hat hieraufhin die Feststellung beantragt, ihre Reisen zu den im Ursprungsverfahren künftig stattfindenden Hauptverhandlungsterminen als erforderlich festzustellen. Die Strafkammer hat den Feststellungsantrag als unbegründet zurückgewiesen, weil es an einer Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung fehle. Zudem sei die Teilnahme der Verteidigerin an der Hauptverhandlung in dem Ursprungsverfahren nicht erforderlich. Die hiergegen von der Pflichtverteidigerin eingelegte Beschwerde hat das OLG Celle verworfen.

2 Aus den Gründen:

[5]“ … II. Die Beschwerde ist nicht statthaft.

[6] 1. Die Rechtsgrundlage für den Feststellungsantrag der Beschwerdeführerin ergibt sich aus § 46 Abs. 2 S. 1 RVG. Danach kann ein beigeordneter Rechtsanwalt vor Antritt einer Reise bei dem Gericht des Rechtszuges die Feststellung beantragen, dass eine Reise erforderlich sei. Die Feststellung ist dann für das spätere Kostenfestsetzungsverfahren bindend. Erfolgt die Feststellung nicht, ist der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren daran andererseits nicht gebunden, er entscheidet selbst über die Notwendigkeit und die Erstattungsfähigkeit der Reise (vgl. nur Hartmann, KostG, 42. Aufl., § 46 RVG Rn 49).

[7] Ein Rechtsmittel gegen die Ablehnung der beantragten Feststellung sieht das RVG nicht vor. Dies galt auch schon für die entsprechende Regelung in §§ 126 Abs. 2 und 128 Abs. 4 BRAGO, wonach die Ablehnung des Feststellungsantrags nach § 126 Abs. 2 BRAGO über der Erforderlichkeit einer Reise nicht anfechtbar war (vgl. u.a. OLG Düsseldorf NStZ-RR 1999, 320; OLG München NStZ 1989, 126; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., Rn 27 zu § 126; Hartmann, KostG, 32. Aufl., Rn 48 zu § 126 BRAGO).

[8] Diese Regelung hat der Gesetzgeber in § 46 Abs. 2 S. 1 RVG übernommen, sie ist lediglich redaktionell anders gefasst worden, inhaltlich aber unverändert geblieben (vgl. BT-Drucks 15/1971, S. 200). Deshalb ist auch unter Geltung des RVG die Entscheidung des erkennenden Gerichts über die Notwendigkeit einer Reise nicht anfechtbar (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., Rn 89 zu § 46; Hartmann, KostG a.a.O., Rn 48 zu § 46 RVG; AnwKomm-RVG- Wolf/Schneider, 5. Aufl., Rn 50 zu § 46 RVG).

[9] Dadurch entsteht der Beschwerdeführerin kein Rechtsnachteil, sie kann ihren Anspruch auf Erstattung von Reisekosten im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen und ihn dort auch im Rechtsmittelwege verfolgen.

3 Anmerkung:

Die dem beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalt in § 46 Abs. 2 S. 1 RVG eröffnete Möglichkeit, vorab eine gerichtliche oder behördliche Feststellung darüber zu erwirken, dass Reiseauslagen erforderlich sind, ist – wie der Fall des OLG Celle zeigt – auch so manchem Gericht nicht bekannt. Ärgerlich ist es, dass die auch aus Gesetzesunkenntnis ergangene Entscheidung der Strafkammer nicht anfechtbar ist.

Noch weniger bekannt ist, dass der Rechtsanwalt eine solche Entscheidung auch für andere Auslagen nach § 670 BGB beantragen kann (§ 46 Abs. 2 S. 3 RVG). Die gerichtliche Entscheidung, dass eine Reise oder der Aufwand anderer Auslagen erforderlich war, befreit den Rechtsanwalt einigermaßen von der Gefahr, diese Auslagen aus eigener Tasche zahlen zu müssen, wenn später der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG diese Auslagen nicht als erforderlich i.S.v. § 46 Abs. 1 RVG ansieht. Denn die positive Entscheidung über den Antrag nach § 46 Abs. 2 S. 1 und 3 RVG ist für das Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG bindend (s. § 46 Abs. 2 S. 1 RVG). Diese Bindungswirkung tritt allerdings hinsichtlich der Erforderlichkeit der Reise oder sonstiger Auslagen nur dem Grunde nach ein. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle ist hierdurch nicht gehindert, im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG einzelne Reiseauslagen – etwa die höheren Auslagen für ein Flugticket gegenüber den Auslagen für die Bahnfahrt – als nicht erforderlich anzusehen.

Hingegen tritt eine Bindungswirkung nicht – wie das OLG Celle wohl unbedacht formuliert hat – auch für das Kostenfestsetzungsverfahren – etwa nach §§ 103 ff. ZPO oder § 464b StPO – ein. Dort entscheidet der Rechtspfleger, ob die Aufwendungen des erstattungsberechtigten Beteiligten notwendig i.S.v. § 91 ZPO waren und deshalb von der erstattungspflichtigen Gegenpartei – im Strafprozess kann dies die Staatskasse sein – zu erstat...

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