AVB WGB F 01/03 Nr. 6.2 i.V.m. Nr. 6.2.5; VGB 88 § 9 Abs. 4 Buchst. e
Leitsatz
Ein Leistungsausschluss, demzufolge sich der Versicherungsschutz gegen Leitungswasser ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Schäden "durch Schwamm" erstreckt, gilt für alle Arten von Hausfäulepilzen und erfasst gerade auch den Schwammbefall als Folge eines versicherten Leitungswasseraustritts.
In dieser Auslegung hält der Leistungsausschluss der Inhaltskontrolle stand.
BGH, Urt. v. 27.6.2012 – IV ZR 212/10
Sachverhalt
Am 13.2.2003 entdeckte der Kl. in seinem versicherten Wohnhaus, dass infolge eines defekten Pressrings Wasser aus einem Heizungsrohr der Obergeschosswohnung austrat. Er ließ die Leckage durch Erneuerung des Pressrings beheben und im März 2003 den Fußboden der Obergeschosswohnung bzw. die Decke des EG von einer Fachfirma trocknen. Die Bekl. regulierte den Versicherungsfall durch Zahlung von 1.000 EUR, welche die genannten Reparaturmaßnahmen und eine Wertminderung von betroffenen Küchenmöbeln und Hausrat abdeckte. Im März 2004 wurde im Obergeschoss ein luftundurchlässiger PVC-Boden verlegt. Im August 2004 begannen Küchenmöbel in den neu verlegten Boden einzusinken. Ursache war ein durch Feuchtigkeit hervorgerufener Befall der Holzteile der Fußboden-/Deckenkonstruktion mit Braunem Kellerschwamm. Der Kl. hält dies für einen Folgeschaden des Versicherungsfalles aus dem Jahre 2003 und verlangt mit der Klage die Erstattung der infolge des Schwammbefalls erforderlichen weiteren Reparaturkosten entsprechend dem Gutachten des in einem selbstständigen Beweisverfahren mit der Schadenfeststellung beauftragten Sachverständigen.
2 Aus den Gründen:
[12] “… Der Kl. hat gegen die Bekl. keinen Anspruch auf Ersatz der infolge des Befalls seines Hauses mit Braunem Kellerschwamm erforderlichen Sanierungs- und Reparaturkosten. Das ergibt die Auslegung der Schwammschadenklausel der Nr. 6.2 i.V.m. Nr. 6.2.5 WGB F 01/03, deren Anwendung anders als das BG meint nicht auf einen Befall des versicherten Gebäudes mit Echtem Hausschwamm beschränkt ist.
[13] 1. Die vom BG vorgenommene teleologische Reduktion der Schwammschadenklausel findet im Klauselwortlaut, wonach “Schäden durch Schwamm’ vom Versicherungsschutz ausgenommen sein sollen, keine Stütze. Weder der Umgangs- noch der Rechtssprache lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass mit dem Wort “Schwamm’ allein der Echte Hausschwamm bezeichnet werden soll.
[14] a) In der Umgangssprache werden mit dem Begriff “Schwamm’ im Zusammenhang mit Gebäuden pflanzliche Holzzerstörer bezeichnet, bei denen es sich vorwiegend um Pilze sog. Bauholz- oder Hausfäulepilze handelt. Die bekanntesten Arten sind der Echte Hausschwamm, der Braune Kellerschwamm, der Porenschwamm und verschiedene Blattlinge (vgl. dazu Sblowski, r+s 1992, 314). Daneben gibt es zahlreiche weitere Arten (dazu und zu ihrer Verbreitung in Gebäuden in Deutschland und anderen europäischen Ländern vgl. Huckfeldt unter www.hausschwamminfo.de).
[15] b) In der Rechtssprache findet sich keine Definition des Begriffs “Schwamm’. Allerdings enthalten die Allgemeinen Bedingungen für die Neuwertversicherung von Gebäuden gegen Schäden durch Schwamm und Hausbockkäfer (SchHB 85 veröffentlicht in VerBAV 1986, 222) eine katalogartige Aufzählung von pflanzlichen Schädlingen, welche dem dortigen Versicherungsschutz gegen Schwammschäden unterfallen sollen. Danach zählen zu den dort bedingungsgemäßen Schwämmen: der Echte Hausschwamm, der Kellerschwamm, der Porenschwamm und der Blättling (Sblowski, a.a.O.).
[16] c) Der Klauselwortlaut “Schäden durch Schwamm’ gibt damit keinen Anhalt für eine Beschränkung auf einzelne oder wenige besonders gefährliche Arten von Hausfäulepilzen. Soweit Sblowski (a.a.O.) anregt, für die Auslegung unter anderem des § 9 Nr. 4 Buchst. e VGB 88 den vorgenannten Katalog der SchHB 85 heranzuziehen, verkennt er, dass der durchschnittliche VN einer Wohngebäudeversicherung dieses anderweitige Bedingungswerk weder kennt noch kennen muss, es deshalb auch nicht zum Verständnis des Leistungsausschlusses für Schwammschäden heranzieht …
[17] Das LG Detmold (r+s 1992, 173 zu § 4 Nr. 3 Buchst. f VGB 62) hat deshalb angenommen, “Schwamm’ bezeichne alle holzzerstörenden Pilze …
[18] 2. Diese Auffassung trifft zu.
[19] Das Berufungsurteil steht in Widerspruch zu den Grundsätzen, die der Senat in st. Rspr. für die Auslegung AVB aufgestellt hat. Sie sind nicht gesetzesähnlich, sondern so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (Senat BGHZ 123, 83, 85 m.w.N. und ständig). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an. Er wird sich in erster Linie am Bedingungswortlaut orientieren. Für eine an diesen Grundsätzen ausgerichtete Auslegung ist mithin nicht maßgeblich, was sich der Verfasser der Bedingungen bei ihrer Abfassung vorstellte (Senat VersR 1986, 177, 178). Die dem VN typischerweise unbekannte Entste...