Richtlinie 2009/103/EG
Leitsatz
Zur Zustellungsbevollmächtigung des inländischen Schadensregulierungsbeauftragten einer ausländischen Kfz-Haftpflichtversicherung
LG Saarbrücken, Beschl. v. 22.6.2012 – 13 S 12/12
Sachverhalt
Die in Deutschland ansässige Kl. macht Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am … in … ereignete und an dem neben dem klägerischen Lkw ein bei der beklagten Versicherung mit Sitz in Frankreich haftpflichtversicherter Pkw beteiligt war.
Das Erstgericht hat die Klageschrift an die von der Bekl. vorprozessual benannte Regulierungsbeauftragte mit Sitz in Deutschland, die … Versicherungs AG, "als Vertreterin" der Bekl. zugestellt. Die … Versicherungs AG hat die Klageschrift zurückgeschickt und erklärt, für die Bekl. nicht zustellungsbevollmächtigt zu sein.
Die Kl. vertritt die Auffassung, die Regulierungsbeauftragte der Bekl. sei kraft Gesetzes für die Klage auf Ersatz des Unfallschadens zustellungsbevollmächtigt. Sie hat es abgelehnt, die Klageschrift nebst Anlagen zwecks Zustellung an die Bekl. im Ausland übersetzen zu lassen oder dafür einen Kostenvorschuss einzuzahlen.
Erstinstanzlich hat sie Reparaturkosten, Sachverständigenkosten sowie eine Auslagenpauschale, insg. 2.382,89 EUR nebst Zinsen geltend gemacht und den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt.
Die Bekl. hat sich erstinstanzlich nicht an dem Verfahren beteiligt.
Das Erstgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei nicht wirksam zugestellt worden. Die Klage sei an die Bekl. an ihrem Sitz im Ausland zuzustellen gewesen, da die Regulierungsbeauftragte der Bekl. in Deutschland nicht zustellungsbevollmächtigt sei. Eine wirksame Zustellung an die Bekl. im Ausland sei jedoch nicht möglich, da die Kl. die Klageschrift weder habe übersetzen lassen, noch einen Vorschuss dafür eingezahlt habe.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Kl. ihre Klage weiter.
Die Bekl. beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.
2 Aus den Gründen:
[9] “II. Gem. Art. 267 AEUV ist unter Aussetzung des Berufungsverfahrens eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen, weil die Entscheidung der Kammer über die form- und fristgerecht eingelegte, mithin zulässige Berufung der Kl. von der Beantwortung der an den Gerichtshof gestellten Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/103/EG abhängt.
[10] 1. Die Kammer ist für die Klage gegen das ausländische Versicherungsunternehmen wegen der behaupteten Schäden aus dem Verkehrsunfall international zuständig. Der Geschädigte kann vor dem Gericht des Ortes in einem Mitgliedstaat, an dem er seinen Wohnsitz hat, eine Klage unmittelbar gegen den VR des Schädigers erheben, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig und der VR im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig ist (Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 1b EuGVVO; Gerichtshof, Urt. v. 13.12.2007 – C-463/06, Odenbreit Slg. 2007 I-11321-1136; BGH, Urt. v. 7.12.2010 – VI ZR 49/10 – VI ZR 48/10, MDR 2011, 121-121, m.w.N.; Urt. der Kammer v. 9.3.2012 – 13 S 51/11). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Insb. besteht aufgrund der in Art. 18 der Richtlinie 2009/103/EG enthaltenen Verpflichtung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, mithin auch in Frankreich, ein Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers (vgl. Art. 18 Rom-ll-VO, Art. 124-3 Code des Assurances; zur 4. Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie auch BGH, Urt. v. 7.12.2010 a.a.O.; Urt. der Kammer v. 9.3.2012 a.a.O.).
[11] 2. Wenn beide Vorlagefragen zu bejahen wären, hätte die Berufung einen Teilerfolg. Entgegen der angefochtenen Entscheidung wäre die Klage zulässig. Die Begründetheit der Klage hinge dann von der Aufklärung des streitigen Unfallhergangs ab. Wenn eine der Vorlagefragen zu verneinen wäre, wäre die Berufung hingegen unbegründet. Das Erstgericht hätte die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.
[12] a) Die Frage, ob die Zustellung der Klage wirksam und die Klage rechtshängig geworden ist, beurteilt sich nach dem deutschen Zivilprozessrecht. Denn das deutsche Recht bestimmt autonom, unter welchen tatsächlichen Umständen eine Auslandszustellung notwendig ist oder ob die Inlandszustellung genügt. Das gilt grds. auch für die Zustellung von den Prozess einleitenden Schriftstücken (BGH, Urt. v. 7.12.2010 a.a.O.; Geimer, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 183 Rn 14, 18 und 21; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl. 2009, Rn 2080 m.w.N.).
[13] b) Die Zustellung der Klageschrift an die … Versicherungs AG genügt nach deutschem Recht allen Anforderungen an eine wirksame Zustellung bis auf die Auswahl des richtigen Zustellungsadressaten. Zur wirksamen Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses muss die Klageschrift dem richtigen Zustellungsadressaten zugestellt werden (vgl. etwa BGHZ 61, 308; BGH v. 28.11.2006 – VIII ZB 52/06, MDR 2007, 479 f.; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, Vorbem. § 166 Rn 18). R...