Aufbauend auf diesen medizinischen Grundlagen lässt sich eine Vielzahl an Kriterien erarbeiten, denen bei der Überprüfung der Frage, ob es sich um übertriebene oder gar simulierte Unfallfolgen handelt, eine besondere Bedeutung zukommt. Dabei liegt naturgemäß ein Schwerpunkt darin, objektivierbare Gesichtspunkte zu finden, die einer Überprüfung und ggf. auch Beweisaufnahme zugänglich sind.
I. Zeitliche Komponente
Ein erstes gewichtiges Indiz zeigt sich, wenn überprüft wird, wann die ersten behaupteten psychischen Beschwerden aufgetreten und vor allem als solche ärztlich behandelt worden sind. Dabei ist in Anlehnung an die o.g. Kriterien ein besonderes Augenmerk auf die Kennzeichen einer Anpassungsstörung und PTBS zu legen, die aufgrund ihrer Auffälligkeit und Behandlungsbedürftigkeit als solche i.d.R. auch erkannt werden sollten. Als Faustregel lässt sich dabei festhalten, dass für die Anpassungsstörung ein Zeitrahmen von gut einem Monat und für die PTBS von 6 Monaten gilt, innerhalb dessen diese Kennzeichen auftreten müssten, wenn sie unfallbedingt sein sollen.
Tritt beispielsweise eine PTBS erstmals 24 Monate nach dem Unfallereignis als ärztliche Diagnose mit entsprechenden Behandlungen auf, spricht dies anerkanntermaßen gegen ihre Unfallbedingtheit. Gleiches gilt, wenn der Kläger nach einem unbefriedigenden Verlauf in der ersten Instanz erstmals im Berufungsverfahren zwei Jahre nach einem nicht besonders schwerwiegenden Unfall eine PTBS behauptet. Vielmehr kann erwartet werden, dass die Kennzeichen einer PTBS bereits innerhalb von 6 Monaten nach dem Unfallereignis auftreten.
II. Anforderungen an das Unfallereignis
Ein weiteres entscheidendes Kriterium stellt das eingetretene Unfallereignis dar, welches einen gewissen Schweregrad erreicht haben muss, um als Auslöser für unfallbedingte Folgen angesehen werden zu können. Bei einer behaupteten PTBS muss der Unfall dabei die Anforderungen an ein "Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß" erfüllen, "welches bei fast jedem Menschen tiefgehende Verzweiflung hervorrufen würde". I.d.R. wird dabei eine (nachvollziehbar) als lebensbedrohlich empfundene Situation erforderlich sein. Ein typischer Auffahrunfall ist für sich gesehen ohne Hinzutretenden weiterer Umstände jedenfalls nicht geeignet, eine PTBS hervorzurufen. Auch kann fraglich sein, ob ein Autounfall trotz der verhältnismäßig nicht schwerwiegenden körperlichen Folgen im Hinblick auf die Angst während des Eingeklemmtseins die Voraussetzungen eines Ereignisses von katastrophalem Ausmaß erfüllen würde. Es genügt auch nicht, wenn der Betroffene meint, eine lebensgefährliche Verletzung eines anderen Verkehrsteilnehmers verursacht zu haben – dies erst recht nicht, wenn er sich zeitnah danach bei einem Besuch im Krankenhaus davon überzeugen kann, dass dieser keine schwerwiegenden Verletzungen erlitten hat.
III. Verhalten des Betroffenen bei Angaben
Ebenso bedeutsam ist es, das Verhalten des Betroffenen zu analysieren, wenn er über die angeblich unfallbedingten Folgen berichtet. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass Betroffene, die tatsächlich ein unfallbedingtes Trauma erlitten haben, in erster Linie vermeiden, über dieses Erlebnis und die dadurch bedingten Folgen zu berichten. Wenn nunmehr der angebliche Geschädigte dagegen eine freiwillige Mitteilungsbereitschaft an den Tag legt oder gar von sich aus ausführlich über das angeblich so schwerwiegende Unfallereignis berichtet, ist dies atypisch und ein gewichtiges Kennzeichen dafür, dass er bestimmte Unfallfolgen sogar simuliert. Dies gilt ebenso für ein dramatisches oder gar ohne Weiteres erkennbar überzogenes Vortragen.
Erfolgen Angaben zu den o.g. Gesichtspunkten, ohne dass diese als atypisches Aufdrängen vermeintlich dramatischer Belastungen anzusehen sind, bedarf es einer weiteren genauen Analyse. So gilt es zu überprüfen, ob der Betroffene sich auf vage Angaben mit einem erkennbaren Ausweichen zurückzieht, sobald genauere Fragen gestellt werden. Ein Kennzeichen für übertriebene oder gar simulierte Beeinträchtigungen sind darüber hinaus lange Antwortverzögerungen mit dem sich aufdrängenden Verdacht eines Ausdenkens.
Hier kommt einem eingeschalteten medizinischen Sachverständigen eine besondere Bedeutung zu. Dieser hat es in der Hand, durch seine eigenen Beobachtungen bei dem notwendigen Gespräch mit dem Betroffenen und ihre Niederschrift genau diese Gesichtspunkte zu erfassen und für die weitere Beurteilung zu dokumentieren. Erst ...