Es bestehen ausreichende Kriterien und Anknüpfungspunkte, um auch in betrugsverdächtigen Fällen bei behaupteten psychischen Unfallfolgen eine ausreichend genaue Überprüfung vorzunehmen.
(1) In Betracht kommen insoweit insbesondere die behaupteten Fälle einer PTBS oder Anpassungsstörung, die wiederum von anderen Erscheinungsformen wie der somatoformen Schmerzstörung oder Depressionen abzugrenzen sind.
(2) In juristischer Hinsicht ist ggf. eine weitergehende Betrachtung wegen der Möglichkeit einer sog. Begehrensneurose geboten. In jedem Fall ist eine genaue Unterscheidung vorzunehmen, ob diese Beeinträchtigungen als sog. Primärverletzungen nach dem Maßstab des § 286 ZPO oder aber als Folgeverletzung nach § 287 ZPO nachzuweisen sind.
(3) Bereits in zeitlicher Hinsicht ist eine erste objektivierbare Überprüfung dieser behaupteten Unfallfolgen möglich, wenn in den geforderten zeitlichen Abständen von einem Monat bei der Anpassungsstörung bzw. sechs Monaten bei der PTBS keine typische Kennzeichen für ein solches Krankheitsbild ärztlicherseits festgestellt bzw. behandelt worden sind.
(4) Darüber hinaus ist die Schwere des Unfallereignisses ebenfalls von entscheidender Bedeutung, so dass gerade bei der PTBS auch auf diesem Wege eine hinreichend genaue Überprüfung möglich ist.
(5) Weitere Kriterien von entscheidender Bedeutung bei der Überprüfung unfallbedingter Folgen liegen in der hinreichend genauen Beobachtung des Verhaltens der betroffenen Person bei der Schilderung ihrer Beeinträchtigungen und einer genauen Dokumentation dieser ärztlichen Exploration. Ebenso bedeutsam ist eine Aufklärung, inwieweit konkrete Beeinträchtigungen im Alter oder Berufsleben festgestellt oder auch von Freunden und Bekannten bestätigt werden können.
(6) Evaluierungstests sind ebenfalls von gewichtiger Bedeutung, wenn behauptete Leistungsdefizite und insbesondere Konzentrations- bzw. Aufmerksamkeitsdefizite überprüft werden sollen. Dadurch kann mit einer vielschichtigen Vorgehensweise eine entsprechende Aggravation oder Simulation in der Regel aufgedeckt werden.
(7) Unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kann es ebenfalls geboten sein, bei hinreichenden Verdachtsmomenten die behaupteten Unfallfolgen durch entsprechende Ermittlungen überprüfen zu lassen. Ergeben diese Erkenntnisse, dass im Alltag oder Berufsleben die behaupteten Beeinträchtigungen gar nicht eintreten, sind diese Tatsachen eine vielversprechende Grundlage, damit auch ein Sachverständiger die bloß vorgetäuschten "Unfallfolgen" als nicht unfallbedingt einstufen kann.
Autor: RAin Beate Grunewald und RA und FA für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht Dr. Michael Nugel, Essen
zfs 11/2013, S. 607 - 613