Fall 1

Vorsitzender AG NR (in öffentlicher mündlicher Verhandlung):

"Wenn wir sagen, was hinten rauskommt, dann kommt das raus. Eine Absprache wird nicht protokolliert." (kurze Pause und Diskussion) "Ich nehme keine Absprache auf. Aber wenn Sie den Vorschlag annehmen, dann entscheide ich auch so. Ich will kein Rechtsmittel. Sie wisse,n was ich meine … ."

 

Fall 2

Vorsitzender AG Prüm (im Hinterzimmer nach Aufforderung durch Vorsitzenden), angeboten wird ein deklaratorisches Fahrverbot. Richter:

"Ich mache das nicht als offizielle Absprache nach der StPO. Ich will da nicht die Beschränkungen drin haben; ich will Rechtskraft. Entweder wir machen das so, oder es ergeht Urteil mit Entziehung der Fahrerlaubnis." (Zum Hinweis auf StPO: Abspracheregelungen) "Gleich reicht es aber. Wenn wir das jetzt nicht so machen, dann reden wir nicht weiter … ."

 

Fall 3

Vorsitzender SchöffG:

"Wir haben besprochen, dass 2 Jahre auf Bewährung rauskommen. Protokollieren werde ich das nicht. Ich sage Ihnen aber, dass das Gericht sich an diese Absprache gebunden fühlt."

Die oben als Fall 1, 2 und 3 dargestellten Situationen sind vielen Strafverteidigern sowohl vor der gesetzlichen Regelung der "Absprache" als auch nach Geltung der Abspracheregelungen vertraut.

Fraglich ist aber, ob ein wie oben beschrieben handelnder Richter nicht möglicherweise zwingend Misstrauen in die Unvoreingenommenheit seines – jetzigen und späteren – Handelns rechtfertigt. Dies könnte eine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit gem. § 24 Abs. 1 Alt. 2 StPO rechtfertigen. Freilich kann nicht allein jede persönliche Antipathie oder fehlerhafte Entscheidung einem Antrag auf Befangenheit zum Erfolg verhelfen. Jedoch sind die von der Rechtsprechung an einen solchen Antrag gestellten Anforderungen nicht derartig hoch, dass dieser von Vornherein zum Scheitern verurteilt wäre.[2] § 24 Abs. 2 StPO ist nicht erst dann erfüllt, wenn der abgelehnte Richter tatsächlich parteilich oder befangen ist, sondern wenn der Anschein einer Befangenheit besteht.[3] Demnach ist Befangenheit eines Richters schon dann anzunehmen, wenn ein durchschnittlicher Beobachter, der sich in die Rolle des Angeklagten versetzt, bei verständiger Würdigung der Umstände den Verdacht hegen würde, es bestehe eine Voreingenommenheit.[4] Der Versuch des Richters, ohne Einhaltung zwingender gesetzlicher Regeln etwas "rechtskräftig zu machen", erweckt zumindest immer einen ausreichenden Anschein. Es ist praktisch kein Fall denkbar, in dem es dem Angeklagten einen Vorteil bringt, wenn ihm das mögliche Rechtsmittel durch unrichtigen Eintrag ins Sitzungsprotokoll "eine Absprache hat nicht stattgefunden" genommen wird. Der Gesetzesverstoß und der geplante inhaltlich falsche Eintrag im Sitzungsprotokoll "eine Absprache hat nicht stattgefunden" zeigen, dass der Richter grundsätzlich nicht gewillt ist, sich an prozessual zwingend vorgeschriebenes Recht zu halten. Von einem so handelnden/vorschlagenden Richter kann ein durchschnittlicher und verständig denkender Beobachter nichts positives bzw. rechtlich korrektes (mehr) erwarten. Dies insbesondere für den denkbaren Fall, dass das "Angebot" ausgeschlagen werden soll/muss.

[2] BVerfG v. 2.12.1992 – 1 BvR 1213/85, NJW 1993, 2231; BGH v. 15.5.2007 – 3 StR 123/07, NStZ 2007, 711.
[3] Vgl. KK-Fischer, § 24 StPO Rn 4, Meyer-Goßner, § 24 Rn 8 m.w.N.
[4] BGH v. 9.2.1951 – 3 StR 48/50, NJW 1951, 323.

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