AFB 87 § 3 Nr. 1 Nr. 3a
Leitsatz
Der Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für Aufräumungs-, Abbruch- oder Schadenminderungskosten nach § 3 Nr. 1 und 3a AFB 87 setzt nicht voraus, dass der VN diese Aufwendungen seinerseits bereits erbracht oder zumindest entsprechende Zahlungsverpflichtungen begründet hat.
BGH, Urt. v. 19.6.2013 – IV ZR 228/12
Sachverhalt
Die Kl. fordert von ihrem beklagten Feuerversicherer nach einem Brand, bei dem das versicherte Büro- und Verwaltungsgebäude am 14.3.2004 erheblich beschädigt wurde, Abschlagszahlungen für Aufräumungs- und Abbruchkosten sowie für Schadenminderungskosten.
In den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden AFB 87 heißt es dazu unter anderem:
"§ 3 Versicherte Kosten"
1. Aufwendungen, auch erfolglose, die der VN zur Abwendung oder Minderung des Schadens … für geboten halten durfte, hat der VR zu ersetzen. … .
2. Für die Kosten der Ermittlung und Feststellung des Schadens gilt § 66 VVG.
3. Soweit dies vereinbart ist … , ersetzt der VR auch die infolge eines Versicherungsfalles notwendigen Aufwendungen
a) für das Aufräumen der Schadenstätte einschließlich des Abbruchs stehengebliebener Teile, für das Abfahren von Schutt und sonstigen Resten zum nächsten Ablagerungsplatz und für das Ablagern oder Vernichten (Aufräumungs- und Abbruchkosten); …
Die Kl. meint, die Bekl. sei jedenfalls zur Zahlung eines Abschlags einerseits für die Aufräumungs- und Abbruchkosten, andererseits für die Schadenminderungskosten in der sich jeweils aus den beiden genannten Sachverständigengutachten ergebenden Mindesthöhe (181.250 EUR und 27.070 EUR) verpflichtet.
2 Aus den Gründen:
[15] "… 1. Die Kl. hat gegen die Bekl. nach § 3 Nr. 1 und Nr. 3 Buchst. a AFB 87 i.V.m. § 16 Nr. 1 S. 2 AFB 87 wegen der Schadenminderungskosten und der Aufräumungs- und Abbruchkosten Anspruch auf Abschlagszahlungen i.H.v. 20.070 EUR und 181.250 EUR."
[16] Anders als das BG meint, setzt dieser Anspruch nicht voraus, dass der VN die diesbezüglichen Aufwendungen seinerseits bereits erbracht oder zumindest entsprechende Zahlungsverpflichtungen begründet hat.
[17] a) Das ergibt die Auslegung von § 3 Nr. 1 und Nr. 3 Buchst. a AFB 87.
[18] AVB sind nach gefestigter Rspr. des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. … Der VN, dem die Entstehungsgeschichte einer Klausel i.d.R. nicht bekannt ist, wird – wie auch das BG im Ansatz zutreffend annimmt – zunächst von ihrem Wortlaut ausgehen.
[19] aa) Dem Wortlaut des § 3 Nr. 1 und Nr. 3 Buchst. a AFB 87 kann er entnehmen, dass sich das Leistungsversprechen des VR im Falle eines Brandes i.S.d. § 1 Nr. 1 Buchst. a AFB 87 nicht darauf beschränkt, ihm die in § 2 AFB 87 aufgezählten Sachen zu ersetzen, soweit solche durch den Brand beschädigt sind, sondern der VR auch für die Vermögenseinbußen aufkommt, die dem VN aus Maßnahmen zur Schadenminderung sowie aus Aufräumungs- und Abbrucharbeiten entstehen. Dass die letztgenannten Versicherungsleistungen jeweils eine Vorleistung oder zumindest eine vertragliche Verpflichtung des VN voraussetzten, erschließt sich dem durchschnittlichen VN daraus nicht.
[20] bb) Die Ansicht des BG, der von der Klausel verwendete Begriff der Aufwendung impliziere bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine dem VN schon entstandene Vermögenseinbuße in dem Sinne, dass er entweder entsprechende Mittel bereits ausgegeben oder zumindest – etwa durch verbindliche Vergabe von Arbeitsaufträgen – eine entsprechende Verpflichtung begründet haben müsse, teilt der Senat nicht (vgl. ähnlich wie hier zum Begriff der “Kosten’: OLG Hamm VersR 1998, 1152 f.; OLG Celle VersR 2010, 383, 385 f.).
[21] Ein solch eingeschränktes Verständnis des Aufwendungsbegriffs in der Umgangssprache, welches etwa zur Folge hätte, den Begriff einer “künftigen Aufwendung’ (oder auch “künftiger Kosten’) als paradox anzusehen, lässt sich nicht feststellen. “Aufwendung’ bezeichnet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch den zweckgerichteten Einsatz finanzieller oder sachlicher Mittel oder von Arbeitskraft. Eine zeitliche Komponente des Inhalts, dass er allein rückblickend auf bereits entstandenen, geschehenen oder eingesetzten Mitteleinsatz bezogen werden könne, wohnt dem Aufwendungsbegriff nicht inne. Der Begriff kann mithin auch auf künftige Sachverhalte zielen und dabei zum Ausdruck bringen, dass jemand infolge bestimmter Ursachen gezwungen sein wird oder auch freiwillig beabsichtigt, Aufwendungen vorzunehmen. Ohne begleitende Einschränkungen und Erläuterungen, welche verdeutlichen, dass Aufwendungen bei einer Person bereits angefallen oder von ihr veranlasst sein sollen, bringt allein das Substantiv “Aufwendungen’ selbst bei gleichzeitiger Benennung ihres Zwecks nicht zum Ausdruck, ob der damit angesprochene Mitteleinsatz bereits geschehen ist oder nur geboten erscheint,...