VVG § 172; BUZ § 1 § 2
Leitsatz
1. Ein VN muss beweisen, dass er eine frühere berufliche Tätigkeit, die er zum Maßstab seiner behaupteten Berufsunfähigkeit machen will, leidensbedingt aufgegeben hat.
2. Auf eine von einem VN lediglich geplante, nicht über vorbereitende Handlungen hinaus gelangende Tätigkeit kann zur Feststellung der Berufsunfähigkeit nicht abgestellt werden.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.3.2013 – 5 U 379/11
Sachverhalt
Der Kl. verlangt eine Berufsunfähigkeitsrente. Er ist gelernter Fleischer. Ab Juni 2005 war er fünf Monate lang für die Firma N in T, einem Unternehmen für Fingernagelprodukte, tätig. Seit 14.11.2005 war er krankgeschrieben. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30.11.2005 durch Kündigung aus betriebsbedingten Gründen beendet. Im Anschluss hieran meldete der Kl. in S ein Gewerbe mit der Bezeichnung "Personalberatung" an, für das er Büroräume anmietete und eine Büroausstattung anschaffte. Im April 2008 meldete er das Gewerbe wieder ab. Kunden hatte er keine. Der Kl. hat die Ansicht vertreten, für die Frage der Berufsunfähigkeit sei auf den Beruf eines Verkaufs- und Personalleiters in der Firma N abzustellen. Er habe diesen Beruf leidensbedingt aufgeben müssen wegen seit September 2005 bestehender orthopädischer Leiden. Das Anfang 2006 angemeldete Gewerbe als "selbstständiger Personalberater" habe er krankheitsbedingt nie ausgeübt und auch keine Einkünfte daraus erzielt.
2 Aus den Gründen:
" … Der Kl. hat gegen die Bekl. keinen Anspruch auf die vertraglich vereinbarten Leistungen wegen Berufsunfähigkeit, denn er hat nicht bewiesen, dass er seit dem 1.5.2008 – oder einem späteren Zeitpunkt – berufsunfähig i.S.d. Versicherungsbedingungen der Bekl. ist. …"
II.2b. Dem Kl. ist der Beweis einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit nicht gelungen.
(1) Der für die Beurteilung relevante Bezugspunkt ist die bis November 2005 ausgeübte Tätigkeit als Verkaufs- und Personalleiter in der Firma N.
(a) Grds. ist die zeitlich letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten maßgebend, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war (BGH VersR 1993, 1470). Das gilt regelmäßig auch dann, wenn der Versicherte den Beruf zwischenzeitlich gewechselt hat. Dann ist i.d.R. nicht auf den früheren, sondern auf den zuletzt ausgeübten Beruf abzustellen (MüKo-VVG/Dörner, § 172 Rn 66 … ). Berufsunfähigkeit liegt in diesem Fall nicht vor, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen zwar nicht mehr zur Ausübung des aufgegebenen, wohl aber zur Ausübung des neu gewählten Berufes noch in der Lage ist, und zwar auch dann, wenn sich der Versicherte aus anderen als gesundheitlichen Gründen dem neuen Beruf nicht gewachsen zeigt, denn die Berufswahl fällt ausschließlich in seine Risikosphäre (BGH VersR 1995, 159 … ).
(b) Vorliegend behauptet der Kl. selbst nicht, dass er – in zeitlicher Hinsicht – bereits vor der Beendigung seiner Tätigkeit bei der Firma N zum 30.11.2005 berufsunfähig i.S.d. Versicherungsbedingungen der Bekl. geworden sei.
Zwar will er sich hinsichtlich des Eintrittszeitpunkts der behaupteten Berufsunfähigkeit nicht abschließend festlegen. Er behauptet vielmehr lediglich, “spätestens’ seit April 2008 berufsunfähig zu sein. Aus der geltend gemachten Höhe der von ihm eingeklagten monatlichen Rente folgt aber, dass er diesen Zeitpunkt offenbar als Eintritt der behaupteten Berufsunfähigkeit ansieht, denn den von ihm eingeklagten Beträgen liegt jeweils die garantierte monatliche Rente für Versicherungsfälle nach dem 1.9.2007 zugrunde. Auch steht damit im Einklang, dass der Kl. ebenfalls im April 2008 sein selbstständiges Gewerbe abgemeldet hat, mithin erst zu diesem Zeitpunkt subjektiv nicht mehr beabsichtigte, auf Dauer einer Berufstätigkeit nachzugehen. Dass die behaupteten körperlichen Leiden des Kl. möglicherweise schon zu Zeiten seiner Tätigkeit bei der Firma N begonnen haben – nach eigenen Angaben erstmals im September 2005 –, begründet dagegen nicht zugleich auch schon den Eintritt des Versicherungsfalls. Denn der Versicherungsfall setzt voraus, dass der Kl. infolge seines Leidens aus damaliger Sicht voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen zur Berufsausübung außerstande gewesen wäre. Dass eine solche Prognose schon damals hätte gestellt werden können, behauptet selbst der Kl. nicht.
Allerdings kann – abweichend von dem oben Gesagten – trotz eines zwischenzeitlichen Berufswechsels auf die frühere Tätigkeit abzustellen sein, wenn der vor Eintritt des Versicherungsfalls erfolgte Berufswechsel bereits durch die fortschreitende Erkrankung bedingt war, der Versicherte seine Berufstätigkeit nach und nach sozusagen “leidensbedingt’ zurückgenommen hat (BGH VersR 1993, 1470 … ). In einem solchen Fall bleibt als Vergleichsmaßstab grds. die von ihm vormals ausgeübte Berufstätigkeit maßgeblich; andernfalls würde in den Fällen eines langsam fortschreitenden Leidensprozesses oder Kräfteverfalls – ein schlagartiger Leistungsabfall ist nicht die Regel – der Versicherungsfall häufig nicht eintreten, obwohl die Beeinträchtigung des Versicherten, gemessen an seiner Leistu...