EGVVG Art. 1 Abs. 1, 2; VVG § 19 n.F.
Leitsatz
1. Auf die im Jahre 2009 zugegangene vertragsbeendende Erklärung des VR sind auch dann hinsichtlich der Rechtsfolgen die Bestimmungen in § 19 VVG n.F. anzuwenden, wenn der behauptete Versicherungsfall im Jahr 2008 eingetreten ist.
2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Verletzung der Anzeigepflicht auf einen Umstand bezieht, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich ist (Art. 21 VVG a.F.; Art. 21 Abs. 2 VVG n.F.).
KG, Urt. v. 5.6.2013 – 6 U 150/11
1 Aus den Gründen:
" … Die Klage auf Feststellung des Fortbestandes der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist abzuweisen, denn der Versicherungsvertrag ist jedenfalls aufgrund des seitens der Bekl. im Schreiben v. 2.6.2009 erklärten Rücktritts jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft beendet worden (§§ 16 Abs. 2 VVG a.F., 19 Abs. 2 VVG n.F.). Auf die Frage, ob das Schreiben der Bekl. v. 2.6.2009 den Vertrag über die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung rückwirkend beendet hat, weil auch die zugleich erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 Abs. 1 BGB durchgreift, kommt es für die zuletzt allein noch begehrte Feststellung des Fortbestandes des Versicherungsverhältnisses entscheidungserheblich nicht mehr an."
Der Rücktritt der Bekl. ist mit Schreiben v. 2.6.2009 formell wirksam erklärt worden. Dass dem Schreiben kein Vollmachtsnachweis zugunsten der die Erklärung unterzeichnenden Personen beilag, kann der Kl. im hiesigen Rechtsstreit nicht mehr geltend machen, nachdem er es unterlassen hatte, die Erklärung unter Bestreiten der Bevollmächtigung gem. § 174 BGB unverzüglich, mithin zeitnah zum Zugang des Schreibens am 5.6.2009 zurückzuweisen.
Die am 5.6.2009 zugegangene Rücktrittserklärung wahrt zudem die gesetzliche Rücktrittsfrist, ohne dass es in diesem Zusammenhang entscheidungserheblich darauf ankäme, ob sich die Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung ab dem 1.1.2009 gem. Art. 1 Abs. 1 EGVVG grds. nach den Regelungen des zum 1.1.2008 in Kraft getretenen neuen VVG oder – wegen des vom Kl. für Oktober 2008 behaupteten Eintritts des Versicherungsfalls – gem. Art. 1 Abs. 2 EGVVG noch nach den Regeln des alten VVG richten. Denn sowohl nach § 21 Abs. 1 VVG n.F. als auch nach § 20 Abs. 1 VVG a.F. beträgt die Rücktrittsfrist einen Monat, beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der VR Kenntnis von der Anzeigepflichtverletzung erlangt hat. Vorliegend begann die Frist frühestens am 5.5.2009 mit der Kenntnisnahme der Bekl. von dem Inhalt des Auszuges aus der Krankenkartei der Dr. A, dessen Druckdatum mit dem 4.5.2009 angegeben ist.
Der Bekl. stand auch ein Rücktrittsrecht zu, denn der Kl. hat durch die Nichtangabe der Behandlungs- und Beratungstermine bei Dr. A aus dem Zeitraum September 2001 bis Juli 2006 im Rahmen des Versicherungsantrages schuldhaft vorvertragliche Anzeigepflichten nach § 16 Abs. 1 VVG a.F. verletzt.
Maßgeblich für die tatbestandliche Verwirklichung einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung und damit für das Vorliegen eines Rücktrittsgrundes ist im Hinblick auf das Datum des Versicherungsantrages allein der Tatbestand des § 16 VVG a.F., denn nur dessen Vorgaben konnten die Parteien am 1.8.2006 beachten (vgl. hierzu die amtliche Begründung in BT-Drucks 16/3945 S. 117/118). Deshalb kann der Kl. auch nicht geltend machen, der Rücktritt der Bekl. sei gem. § 19 Abs. 5 VVG n.F. ausgeschlossen, weil er in dem Antragsformular nicht ausreichend in Textform über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung belehrt worden sei. Würde man die erst zum 1.1.2008 in Kraft getretene Regelung des § 19 Abs. 5 VVG n.F. auf den Versicherungsantrag des Kl. v. 1.8.2006 anwenden, würde dies eine verfassungsrechtlich bedenkliche echte Rückwirkung zu Lasten des VR bedeuten; denn dann wäre sein Rücktrittsrecht regelmäßig ausgeschlossen (vgl. Marlow, Anm. zu LG Dortmund VersR 2010, 516–517, zit. nach juris).
Unter Geltung des § 16 Abs. 1 S. 1 VVG a.F. war der VN verpflichtet, bei Antragstellung – auch ungefragt – alle ihm bekannten gefahrerheblichen Umstände anzuzeigen. Gem. § 16 Abs. 1 S. 2 VVG a.F. waren gefahrerheblich alle Umstände, die geeignet waren, Einfluss auf den Entschluss des VR zu nehmen, den Vertrag überhaupt – oder zu den vereinbarten Bedingungen – abzuschließen; Umstände, nach denen schriftlich gefragt wurde, waren gem. § 16 Abs. 1 S. 3 VVG a.F. im Zweifel gefahrerheblich. Der Kl. hat, indem er die wiederholten Arztbesuche bei Dr. A, teilweise mit anschließender Krankschreibung wegen Bluthochdruck, Alkoholabusus und Kopfschmerzsyndrom, bei Antragstellung nicht angegeben hat, gefahrerhebliche Umstände i.S.d. § 16 Abs. 1 VVG a.F. verschwiegen (wird ausgeführt).
Dass der Kl. schuldhaft gehandelt hat, wird gem. § 16 Abs. 1 VVG a.F. vermutet, denn der Kl. hat nicht i.S.d. § 16 Abs. 3 VVG a.F. nachweisen können, dass die Anzeige der Behandlungen bei Dr. A ohne sein Verschulden unterblieben ist. Dabei kann offen ...