VVG § 116 Abs. 1; AKB 2008 1.1.4.
Leitsatz
Die Regulierungsentscheidung des VR ist auch im Rahmen des Rückgriffs bei Leistungsfreiheit nur dann nicht verbindlich, wenn der VR sein Ermessen willkürlich überschritten hat. Dafür trifft den VN die Beweislast.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Lüdenscheid, Urt. v. 21.3.2013 – 94 C 353/12
Sachverhalt
Der Bekl. war am 24.9.2009 mit einem bei der Kl. haftpflichtversicherten Motorroller an einem Verkehrsunfall beteiligt. Bei dem Motorroller handelte es sich um einen solchen, der nicht auf den Status eines Mofas gedrosselt war. Der Bekl. verfügte nicht über eine gültige Fahrerlaubnis zum Führen des Motorrollers. Nach dem Unfall erbrachte die Kl. an den Unfallgegner des Bekl. Zahlungen i.H.v. 5.158,65 EUR und nimmt den Bekl. i.H.v. 5.000 EUR in Regress.
Der Bekl. trägt vor, die Kl. habe ihre Leistungen an den Unfallgegner bzw. dessen Kaskoversicherer ohne Rechtsgrund erbracht, weil der Bekl. den Unfall nicht schuldhaft verursacht habe.
2 Aus den Gründen:
" … Die Klage ist begründet."
Der Kl. steht gegen den Bekl. ein Anspruch auf Erstattung eines Betrages i.H.v. 5000 EUR zu, weil der Bekl. zum Unfallzeitpunkt – was zwischen den Parteien unstreitig ist – nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis war (§ 28 Abs. 2 VVG i.V.m. D.1.3 AKB 2008, § 116 Abs. 1 VVG).
Der Bekl. kann gegenüber dem Erstattungsanspruch der Kl. nicht mit Erfolg geltend machen, er habe den Unfall nicht schuldhaft verursacht, weshalb die Kl. den dem Unfallgegner entstandenen Schaden nicht hätte regulieren dürfen.
Gem. § 116 Abs. 1 S. 3 VVG kann der VR Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Nach A.1.1.4 der AKB 2008 ist der VR bevollmächtigt, gegen den VN geltend gemachte Schadensersatzansprüche in seinem Namen zu erfüllen oder abzuwehren und alle dafür zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens abzugeben. Diese unwiderrufliche Regulierungsvollmacht entspricht der Regulierungspflicht aus dem Versicherungsvertrag. Maßgeblich ist der Kenntnisstand des VR zum Zeitpunkt der Regulierung. Dabei ist dem VR ein Ermessensspielraum einzuräumen, der sich auch auf Gesichtspunkte der Prozessökonomie erstreckt. Der VR muss einen streitigen Lebenssachverhalt nicht zeit- und kostenintensiv erschöpfend ausermitteln, wenn dies außer Verhältnis zum geltend gemachten Schadensumfang steht, sondern er darf eine wirtschaftliche Regulierungsentscheidung treffen. Die Bindung an die Regulierungsentscheidung des Haftpflichtversicherers entfällt deshalb nur bei einem offensichtlichen, dem Geschädigten erkennbaren Missbrauch. Dementsprechend ist es nicht Sache des VR, die Richtigkeit seiner Regulierung im Außenverhältnis darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, sondern es ist Sache des allein und vollumfänglich darlegungs- und beweisbelasteten VN, eine missbräuchliche Regulierung darzulegen und zu beweisen (Höld, Versicherungsrecht 2012, 284 m.w.N.). Im Hinblick hierauf ist eine Regulierungsentscheidung des VR für den VN nur dann nicht verbindlich, wenn der VR sein Regulierungsermessen willkürlich überschritten hat. In diesem Fall steht dem VN gegen den geltend gemachten Ausgleichsanspruch die Dolo-agit-Einrede zu (AG Bochum, NRW-RR 2010, 173).
Von einer willkürlichen Überschreitung des Regulierungsermessens der Kl. kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Aus den beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft H ergibt sich, dass von dem Sachverständigen C. in einem Gutachten vom 22.3.2010 anhand einer Untersuchung der Glühlampen des Rollers rekonstruiert werden konnte, dass zum Kollisionszeitpunkt weder die Fahrtrichtungsanzeiger des Rollers in Betrieb waren, noch durch die Beleuchtungsanlage oder das Bremslicht des Fahrzeuges Licht ausgestrahlt wurde, sodass der Roller durch eigene Beleuchtungsquellen für den Unfallgegner nicht erkennbar war. Allein diese Feststellungen rechtfertigen die von der Kl. getroffene Regulierungsentscheidung.“
3 Anmerkung:
Die beiden vorstehend abgedruckten Entscheidungen scheinen Routine zu sein. Zuweilen muss man Routinen aber hinterfragen, um ihre Berechtigung zu verstehen.
VR und VN einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung haften dem Geschädigten nach § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 VVG als Gesamtschuldner. Zu einem – der Höhe nach durch §§ 5, 6 KfzPflVV begrenzten – Rückgriff des VR gegen seinen VN (oder die versicherte Person) kommt es, wenn der VR dem VN (oder der versicherten Person) gegenüber im Versicherungsverhältnis leistungsfrei ist: Dann entsteht ein Ausgleichsanspruch des VR, dessen Grundlage sowohl § 426 Abs. 1 S. 1 BGB ist als auch § 426 Abs. 2 BGB i.V.m. dem auf den VR übergegangenen Anspruch des Geschädigten gegen den VN (und/oder die versicherte Person). Nur zusätzlich (und das verkennt das AG Lüdenscheid) hat der VR nach § 116 Abs. 1 S. 3 VVG einen Anspruch auf die – über die Entschädigungsleistung hinausgehenden – Aufwendungen, die der VR für erforderlich halten durfte.
Gelegentlich wenden Rückgriffsschuldner ein, ein Anspruch des Geschädigten gege...