VV RVG a.F. Nr. 2301 3200 1008; Vorbem. 3 Abs. 4; GWB § 128 Abs. 4; ZPO §§ 103 ff.

Leitsatz

Die für die Vertretung im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer zur Festsetzung begehrte Geschäftsgebühr ist auf die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens auch dann anzurechnen, wenn der anwaltliche Vertreter des Erstattungsberechtigten für diesen auf der Grundlage einer Stundenhonorarvereinbarung tätig geworden ist.

BGH, Beschl. v. 17.6.2014 – X ZB 8/13

Sachverhalt

Die ASt. hat den AG nach dem Beschluss des Vergabesenats die zu ihrer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten für die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten zu erstatten und auch ihre im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu tragen. Die AG, deren Verfahrensbevollmächtigte für sie auf der Grundlage einer Stundensatzvereinbarung tätig gewesen waren, beantragten – soweit hier von Interesse – die Festsetzung folgender Anwaltskosten:

für das Verfahren vor der Vergabekammer eine 1,1 Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 VV RVG sowie
für das Verfahren vor dem Vergabesenat des OLG eine 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG nebst einer 0,9 Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG.

Der Rechtspfleger des OLG hat die Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens angerechnet und sie dementsprechend um 744,70 EUR gekürzt. Hiergegen haben die AG Erinnerung eingelegt. Der Vergabesenat des OLG Düsseldorf wollte die Erinnerung zurückweisen, sah sich jedoch daran durch die gegenteilige Rspr. des OLG Brandenburg gehindert und hat die Sache deshalb dem BGH vorgelegt. Der BGH hat die Divergenzvorlage als zulässig angesehen und die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegte Erinnerung zurückgewiesen.

2 Aus den Gründen:

[8] "… III. In der Sache tritt der Senat der Auffassung des vorlegenden Vergabesenats bei. Die Geschäftsgebühr ist entsprechend RVG VV Vorbem. 3 Abs. 4 zu Teil 3 auf die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens anzurechnen. Die Erinnerung bleibt deshalb ohne Erfolg."

[9] 1. Der Vergabesenat ist unausgesprochen zutreffend davon ausgegangen, dass die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300, 2301 RVG VV für die Vertretung im Verfahren vor der Vergabekammer in dem Kostenfestsetzungsverfahren beim Oberlandesgericht, das sich an das sofortige Beschwerdeverfahren (§§ 116 ff. GWB) anschließt, berücksichtigt werden kann.

[10] Soweit eine vorprozessual zur Anspruchsabwehr angefallene Geschäftsgebühr nach der Rechtsprechung des BGH prinzipiell nicht zu den Kosten des Rechtsstreits gehört und deshalb im Allgemeinen nicht Gegenstand einer Kostenfestsetzung gem. §§ 103 ff. ZPO ist (vgl. BGH RVGreport 2006, 274 (Hansens) = AGS 2006, 357; BGH RVGreport 2008, 148 (ders.) = zfs 2008, 288 m. Anm. Hansens = AGS 2008, 158), erleidet dieser Grundsatz im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren aufgrund der hier bestehenden Besonderheiten eine Durchbrechung.

Bei dem Verfahren vor der Vergabekammer handelt es sich einerseits zwar um ein in die Exekutive eingebettetes Verwaltungsverfahren, das kostenrechtlich, wie sich aus der Regelung in § 128 Abs. 4 S. 4 GWB ergibt, dem verwaltungsrechtlichen Widerspruchsverfahren gleichgesetzt ist (BGH RVGreport 2009, 474 (Hansens) = AGS 2009, 540). Deshalb entstehen für die Vertretung in diesem Verfahren keine Gebühren nach RVG VV Teil 3, sondern Geschäftsgebühren nach Teil 2 Abschnitt 3 (RVG VV Nr. 2300, 2301). Dieses Verfahren ist andererseits aber gerichtsähnlich als kontradiktorisches Streitverfahren zwischen Auftraggeber- und Auftragnehmerseite ausgestaltet. Es hat naturgemäß stets die Geltendmachung der Verletzung des Anspruchs der Unternehmen auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren durch den Auftraggeber zum Gegenstand (§ 97 Abs. 7 GWB) und die mit der Geschäftsgebühr abgegoltene Tätigkeit des Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren weist typischerweise gewisse Bezüge zur Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren auf. Deshalb begegnet die Praxis der Vergabesenate, in der das Beschwerdeverfahren betreffenden Kostenfestsetzung auch die Geschäftsgebühr für die Vertretung von der Vergabekammer zu berücksichtigen, keinen rechtlichen Bedenken. Das gilt auch, nachdem § 128 Abs. 4 GWB in der durch das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts v. 20.4.2009 (BGBl I S. 790) erhaltenen Fassung bestimmt, dass ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren vor der Vergabekammer nicht mehr stattfindet.

[11] 2. Das OLG hat die Geschäftsgebühr zu Recht auch ungeachtet dessen in der Kostenfestsetzung berücksichtigt, dass die Verfahrensbevollmächtigten der AG für diese auf der Grundlage einer wirksamen, privaten Vergütungsvereinbarung tätig geworden sind. Soweit der BGH entschieden hat, dass der vorgerichtlich auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung für den Auftraggeber tätig gewordene Rechtsanwalt grds. nicht die Geschäftsgebühr beanspruchen kann, sondern sein Vergütungsanspruch auf dieser vertraglichen V...

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