VVG § 44 § 45; ARB § 15 Abs. 2
Leitsatz
1. Gibt der Rechtsschutzversicherer bei einer Versicherung für fremde Rechnung zugunsten des Versicherten eine Deckungszusage ab, legt er sich hinsichtlich seiner Leistungspflicht auf diesen fest. Bei einer Zahlung an den VN verstößt er gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, wenn er sich auf dessen gleichermaßen bestehende Verfügungsbefugnis beruft.
2. Verlangt der Versicherte Befreiung von einer Honorarverbindlichkeit gegenüber seinem Rechtsanwalt, erbringt der Rechtsschutzversicherer mit einer Zahlung an den VN nicht die nach den ARB geschuldete Leistung, so dass keine Erfüllung eintreten kann.
BGH, Urt. v. 16.7.2014 – IV ZR 88/13
Sachverhalt
Der Kl. ist ehemaliger Geschäftsführer einer GmbH, die bei der Bekl. einen Rechtsschutzversicherungsvertrag unterhielt. Er begehrt als mitversicherte Person Versicherungsleistungen. Die vereinbarten ARB sehen in § 15 Abs. 2 vor, dass für mitversicherte Personen die den VN betreffenden Bestimmungen sinngemäß gelten, der VN jedoch widersprechen kann, wenn eine andere mitversicherte Person als sein ehelicher/eingetragener Lebenspartner Rechtsschutz verlangt.
Über das Vermögen der GmbH wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Es kam zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren gegen den Kl. und andere Mitarbeiter der GmbH. Am 9.12.2008 erteilte die Bekl. eine Deckungszusage hinsichtlich eines "Straf- bzw. Bußgeldverfahrens" für die 1. Instanz und bat den vom Kl. beauftragten Anwalt dabei ausdrücklich: "Namens und im Auftrag unseres Versicherten … seine rechtlichen Interessen wahrzunehmen".
Der Insolvenzverwalter der GmbH forderte die Bekl. am 18.5.2011 fernmündlich zur Auskehrung sämtlicher Erstattungsbeträge an die Insolvenzmasse auf. Am 18.10.2011 stellte der Verteidiger des Kl. für seine Leistungen im Zeitraum 20.11.2008 bis 18.10.2011 der Bekl. einen Betrag von 9.029,15 EUR inkl. MwSt. in Rechnung. Vorausgegangen war eine Anfrage des Verteidigers zu einem Stundenhonorarsatz, die die Bekl. mit Schreiben v. 13.10.2010 beantwortet hatte; darin hatte sie erklärt, der Vereinbarung des gewünschten Stundenhonorars zuzustimmen und "einer detaillierten Gebührenrechnung gegenüber unserer VN entgegen [zu sehen]". Auf die Honorarnote des Verteidigers hin teilte die Bekl. am 29.11.2011 mit, bedingungsgemäß eintrittspflichtig zu sein und 7.392,73 EUR netto schuldbefreiend an die Insolvenzmasse geleistet zu haben; der Verteidiger des Kl. wurde aufgefordert, seine Ansprüche zur Tabelle anzumelden.
Die Parteien streiten darüber, ob dieser Zahlung Erfüllungswirkung zukommt.
2 Aus den Gründen:
[7] "… Das LG hat den Bekl. Zur Zahlung der vom Kl. Begehrten Teilsumme aus der Honorarforderung seines Verteidigers verurteilt. Die Revision bleibt ohne Erfolg. …"
[9] II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. …
[10] 1. a) Im Ansatz zutreffend geht das BG davon aus, dass sich allein durch die Insolvenz des VN an der materiellen Rechtsposition des Versicherten nichts ändert.
[11] Die hier abgeschlossene Versicherung für fremde Rechnung ist nach §§ 44, 45 VVG gekennzeichnet durch die Spaltung der materiellen Inhaberschaft der Rechte aus dem Versicherungsvertrag beim Versicherten und der formell-materiellen Befugnis des VN, sie gerichtlich geltend zu machen und über sie zu verfügen (Rixecker, in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl., § 44 Rn 1). Die Insolvenz des VN beeinträchtigt die Rechtsposition des Versicherten nicht, da der Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zur Insolvenzmasse des VN, sondern der des Versicherten gehört (Brand, in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 44 Rn 11 … ). Bei der Insolvenz des VN kommt es lediglich zu einer Änderung hinsichtlich der Verfügungsberechtigung; diese steht nunmehr dem Insolvenzverwalter zu (Brand, in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 45 Rn 27 … ).
[12] b) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Auslegung des BG, der Insolvenzverwalter habe keinen Widerspruch i.S. des § 15 Abs. 2 S. 2 ARB erklärt.
[13] Die tatrichterliche Auslegung der Erklärung des Insolvenzverwalters ist vom Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob Verstöße gegen anerkannte Auslegungsregeln, Verfahrensvorschriften, Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen und ob der Tatrichter sich mit dem Verfahrensstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat (Senatsbeschl. v. 18.12.2013 – IV ZR 207/13, juris Rn 12 m.w.N.).
[14] Das BG hat das Zahlungsverlangen des Insolvenzverwalters vor dem Hintergrund dessen vorgerichtlich geäußerter Rechtsauffassung, dass die Versicherungsleistung in die Insolvenzmasse falle und daher an ihn auszukehren sei, gewürdigt und dahingehend die Erklärung eines Widerspruchs im Sinne der Ausübung eines entsprechenden Gestaltungsrechts verneint. Gegen diese Auslegung ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
[15] c) Unzutreffend ist allerdings die Auslegung des BG, § 15 Abs. 2 ARB statuiere bis zur Erklärung des Widerspruchs durch den VN eine alleinige Verfügungsbefugnis des Versicherten.
[16] aa) Allgemeine Ver...